Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie treffen auch Deutschlands Immobilienmarkt. Drei Gründe sprechen dafür, dass ein Crash nicht zu befürchten ist.
Noch vor vier Wochen schien alles in bester Ordnung auf Deutschlands Immobilienmärkten. Der Aufschwung, so zeigten erste Hochrechnungen, hat sich auch 2019 – und damit im elften (!) Jahr in Folge – fortgesetzt. Mehr als 300 Milliarden Euro investierten Käufer in Wohnungen, Einfamilienhäuser, Bürotürme, Läden, Hotels und Lagerhallen – noch einmal fast zwölf Prozent mehr als in den zwölf Monaten zuvor.
So würde es vorerst weitergehen, war man in der Branche überzeugt. Die gute Konjunktur, das historisch niedrige Zinsniveau und kaum Alternativen zum vergleichsweise sicheren Immobilieninvestment würden dafür sorgen, dass die Nachfrage auf dem deutschen Häusermarkt nicht abreißt.
Jetzt, Ende März, ist alles anders. Die Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie legen das öffentliche, soziale und wirtschaftliche Leben in Deutschland lahm. Die Auswirkungen auf Unternehmen und ihre Mitarbeiter sind schon jetzt erheblich und werden tiefe Spuren hinterlassen. Es wäre blauäugig zu erwarten, dass all dies auf dem Häusermarkt folgenlos bliebe. Doch wie gravierend werden die Effekte sein? Und was bedeuten sie für Eigentümer, Mieter und Vermieter?
Wirklich seriös beantworten lassen sich diese Fragen noch nicht. Denn Immobilienmärkte reagieren auf wirtschaftliche Auf- oder Abschwünge mit deutlicher Zeitverzögerung. Zu Recht wollen Experten daher aktuell keine Prognosen darüber abgeben, wohin sich Preise und Mieten bewegen werden.
Es bleibt also bei Momentaufnahmen: Erkennbar ist, dass es die Mieter sind, die als Erste auf die neue Lage reagiert haben. Die Sportartikelhersteller Adidas und Puma kündigten am Freitag an, im April für eigene Läden keine Miete mehr zu zahlen. Dasselbe gilt für die Elektronikketten Mediamarkt und Saturn, für Schuhhändler Deichmann und den Modekonzern H&M. Weitere Einzelhändler, die sich aufgrund der verordneten Ladenschließungen in ihrer Existenz bedroht sehen, werden folgen und alles daransetzen, Mietzahlungen zu stunden oder wenigstens zu reduzieren.
Von den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise betroffene Wohnungsmieter könnten ebenso handeln. Auch ihnen ermöglicht das in der vergangenen Woche im Bundestag beschlossene Gesetz, Mietzahlungen für die Monate April bis Juni auszusetzen, ohne gekündigt zu werden. Wie viele Haushalte davon Gebrauch machen werden und ob überhaupt, ist völlig offen. Schließlich werden die Mietzahlungen – wie übrigens auch im Fall von Adidas, Deichmann und Co. – nur gestundet, nicht erlassen.
Auch für Vermieter gilt jetzt: Liquidität sichern
Für Vermieter ist das die gute Nachricht. Ihre Ansprüche bleiben in voller Höhe bestehen. Die schlechte: Wird ein Mieter zahlungsunfähig, nützt dies alles wenig. Viele Eigentümer werden sich daher jetzt mit ihren Mietern an einen Tisch setzen, um praktikable Lösungen zu finden. Große Wohnungsunternehmen wie Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG haben bereits Mietstundungen, Verzicht auf geplante Mieterhöhungen und Aussetzung von Räumungsklagen angekündigt.
Private Vermieter sind gut beraten, wenn nötig dem Vorbild zu folgen. Denn in einer so unwägbaren Situation wie der jetzigen gilt für sie dasselbe wie für Unternehmen: Liquidität sichern. Vorübergehend weniger Miete zu akzeptieren ist aktuell die bessere Strategie, als kurzfristig auf die Suche nach neuen Mietern zu gehen. Denn so leicht und schnell wie zuletzt dürfte man in den kommenden Monaten wohl kaum Interessenten für frei werdende Wohnungen finden.
Wer von Kurzarbeit betroffen ist oder um seinen Job bangt, zieht nicht um. Das gilt womöglich in noch stärkerem Maße für Haus- und Wohnungskäufer. Unsicherheit über die eigenen finanziellen Spielräume trübt erfahrungsgemäß nicht nur die Konsum-, sondern auch die Investitionslaune privater Haushalte.
Und dennoch: Ein Signal für die radikale Kehrtwende auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt mit abstürzenden Preisen und Mieten ist all das nicht. Drei Gründe sprechen dagegen.
Erstens: Es gibt kein Überangebot. Gerade einmal drei Prozent aller Wohnungen stehen bundesweit leer; viele Neubauprojekte sind zu großen Teilen vor Baubeginn verkauft oder vermietet.
Zweitens: Die Finanzierungsbedingungen bleiben günstig. Die geldpolitischen Lockerungen der Europäischen Zentralbank, insbesondere die ausgeweiteten Anleihekäufe, werden die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig halten.
Drittens: Immobilienkäufer haben ihre Vorhaben weitsichtig finanziert. Kunden, die im Februar ein Darlehen abschlossen, sicherten sich ihre Zinsen durchschnittlich für annähernd 14 Jahre und tilgen in diesem Zeitraum fast durchweg drei Prozent des Kredits pro Jahr. Obwohl Bankkunden infolge steigender Preise höhere Darlehen aufnahmen, blieb der Anteil des Eigenkapitals mit 20 Prozent stabil.
Die Coronakrise wird den Immobilienmarkt in Deutschland ausbremsen, vielleicht sogar ins Schleudern bringen. Anzeichen für einen Crash gibt es nicht. Wohl aber dafür, dass ein Boom endet, der inzwischen vielen unheimlich geworden ist. Eine Rückkehr zur Normalität nach der Coronakrise kann dem Markt nur guttun.
Quelle: Handelsblatt