Die Mietpreisbremse funktioniere nicht, lautet eine oft geäußerte Kritik. Nachdem zu Jahresbeginn bereits einige Änderungen in Kraft traten, legt die scheidende Justizministerin weitere Gesetzesvorschläge vor, die Hunderttausende Mieter und Vermieter betreffen.
Nur noch zehn Tage, dann ist Katarina Barley nicht mehr Bundesministerin der Justiz. Am 26. Mai, wenn die Wahllokale nach der Europawahl geschlossen haben, will sie ihr Amt abgeben und sich als Spitzenkandidatin der SPD fortan um sozialdemokratische Politik im Europaparlament in Straßburg kümmern.
Kurz vor ihrem Rückzug aus der Bundesregierung hat die 50-Jährige ihren Kollegen im Kabinett und in den Parteispitzen der großen Koalition noch eine Menge brisante Arbeit hinterlassen. Unter anderem legte Barley am Mittwoch umfassende Änderungen im Mietrecht vor, die Hunderttausende von Mietern und Vermietern im kommenden Jahr beschäftigen dürften – wenn sie denn in endgültige Gesetzesform gegossen und vom Bundestag verabschiedet werden.
Die weitreichendsten Neuerungen sind bei der Mietpreisbremse geplant. Unter anderem sollen die Bundesländer künftig keine umfassenden Begründungen mehr vorweisen müssen, wenn sie die für die Mietpreisbremse nötigen Landesverordnungen erlassen. Das hatte unter anderem in Hamburg, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg dazu geführt, dass Gerichte die Preisbremse aus rein formalen Gründen kippten. Dort herrscht nun Rechtsunsicherheit. Mieter wissen ganz einfach nicht, ob sie sich auf die entsprechenden Regeln im Bürgerlichen Gesetzbuch überhaupt berufen können.
Allein das hat dazu geführt, dass die Mietpreisbremse, wie schon oft festgestellt, „nicht richtig funktioniert“. Künftig soll eine einfache Begründung für die Länder genügen. Mieter könnten sofort wieder damit beginnen, die Preisbremse anzuziehen.
Mietpreisbremse gilt nur in bestimmten Regionen
Die Mietpreisbremse gilt für neu abgeschlossene Mietverträge in bestimmten Regionen mit Wohnungsknappheit, die die Länder definieren. Dort darf die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen. Diese Vergleichsmiete wird in den Mietspiegeln definiert.
Nicht nur für die Länder, auch für Mieter soll die Sache leichter werden. Dafür wird die sogenannte Rügeobliegenheit abgeschafft. Bisher nämlich müssen Vermieter die zu viel gezahlte Miete erst ab dem Zeitpunkt zurückerstatten, ab dem Mieter eine schriftliche Rüge eingereicht haben. Künftig soll die Rückerstattungspflicht schon ab Vertragsbeginn gelten. „Damit lohnt es sich für Vermieter nicht mehr, erst mal zu probieren, ob sie mit einer zu hohen Miete durchkommen“, sagte Barley.
Trotzdem müssen Mieter weiterhin viel Mut beweisen, wenn sie die Mietpreisbremse ziehen wollen. Zwar sind Vermieter bereits seit Beginn dieses Jahres dazu verpflichtet, die Höhe der Vormiete von sich aus bekannt zu geben – für die Höhe der bisher gezahlten Mieten gilt Bestandsschutz. Doch wenn sich Vermieter weigern oder eine möglicherweise fingierte Vormiete herzeigen, bleibt Mietern meistens nur der Rechtsweg, um sich zu wehren. Das heißt: Sie legen sich mit ihrem Vermieter an, und man trifft sich vor Gericht.
An dieser Stelle hält der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak, eine für Vermieter strengere Auslegung der Preisbremse für unnötig: „Wenn Vermieter bewusst falsche Angaben machen, ist das strafbarer Betrug. Mieter können in einer solchen Konstellation schon jetzt zu viel gezahlte Miete von Anfang an zurückverlangen.“
Auch sonst stoßen die Vorschläge aus dem Justizministerium auf wenig Gegenliebe in der Union. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nannte die Vorschläge ein Wahlkampfmanöver und wenig durchdacht. Sein hessischer Amtskollege Volker Bouffier (CDU) sprach von Aktionismus. „Das bringt gar nichts“, sagte er.
Problem der Mietpreisbremse sind die vielen Ausnahmen
Der Eigentümerverband Haus und Grund wehrt sich gegen die Unterstellung, Vermieter würden absichtlich gegen die Mietpreisbremse verstoßen. Der wohnungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Chris Kühn, meint hingegen, das eigentliche Problem bei der Bremse blieben nach wie vor die vielen Ausnahmen.
Denn nicht nur eine bisher verlangte Vormiete genießt Bestandsschutz. Auch umfassende Modernisierungen befreien eine Wohnung von der Preisbremse. Vor allem große private Wohnungsunternehmen machen davon Gebrauch. Hier allerdings baute Barley eine aus Vermietersicht böse Überraschung in ihren Gesetzentwurf ein: Sie möchte das „Verbot der Mietpreiserhöhung“ nach Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz „umgestalten und in das Zivilrecht überführen“. Das könnte darauf hinauslaufen, dass es ein generelles Erhöhungsverbot über 20 Prozent hinaus geben könnte.
„Das schafft große Rechtsunsicherheit“, kritisiert CDU-Experte Luczak. Vor allem kleinere Vermieter, die nach einer teuren Modernisierung auf eine höhere Miete angewiesen sind, würde das treffen. Die vielleicht wichtigste von Barley vorgelegte Neuerung betrifft ganz schlicht die Geltungsdauer der Mietpreisbremse.
Bisher waren die Landesverordnungen auf fünf Jahre befristet, und nur noch bis zum 31. Dezember 2020 hätten die Länder neue Verordnungen erlassen können. In Berlin, wo die Preisbremse schon seit Juni 2015 gilt, wäre im kommenden Jahr Schluss gewesen mit der Bremse. Jetzt sollen die Länder weitere fünf Jahre Zeit bekommen, in denen sie neue Verordnungen erlassen und bestehende verlängern können, also bis Ende 2025.
Die Justizministerin verteidigte ihre Pläne. „Mieterinnen und Mieter in Deutschland dürfen nicht aus ihren angestammten Wohngebieten verdrängt werden“, sagte Barley. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart gewesen, die Preisbremse zu verlängern, nachdem man die Wirkung evaluiert habe. Diese Prüfung sei erfolgt durch ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das Anfang des Jahres vorgelegt worden war.
Dass Vermieter immer wieder gegen die Preisbremse verstießen, zeigten zahlreiche Gerichtsverfahren. In fast allen Fällen, in denen es zu einem Urteil gekommen sei, hätten Mieter recht bekommen, sagte sie. Allerdings sei sich die Ministerin darüber im Klaren, dass eine weitere Verschärfung der Mietpreisbremse nicht einfach durchzusetzen sei: „Ich habe nicht die Illusion, dass das mit einem Lächeln durchgewunken wird.“
Quelle: WELT