Aus Angst vor einer globalen Rezession flüchten viele Anleger in sichere Anleihen. Das lässt auch die Zinsen fürs Baugeld weiter sinken. Was die Entwicklung für Immobilienkäufer bedeutet
Für Immobilienkäufer ist der Handelskrieg eine gute Nachricht. Vorerst jedenfalls: Denn die Sorge, dass ein Scheitern der Verhandlungen zwischen den USA und China in einer globalen Rezession endet, lässt viele Investoren Zuflucht in sicheren Anleihen suchen. Der Wunsch nach Sicherheit drückte die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe jüngst auf ein neues Rekordtief, im Juni sank der Effektivzins zeitweise bis auf minus 0,23 Prozent.
Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe ist für Häuslebauer von großer Bedeutung, denn an ihr orientieren sich Banken, wenn sie die Höhe der Bauzinsen festlegen. Entsprechend sind die ohnehin schon günstigen Immobilienkredite zuletzt noch billiger geworden. „Für zehnjährige Darlehen sind aktuell Bestkonditionen von unter einem Prozent möglich“, sagt Mirjam Mohr, Vorstandschefin des Finanzdienstleisters Interhyp.
Bauzinsen deutlich unter Inflationsrate
Die Commerzbank etwa verlangt derzeit weniger als 0,7 Prozent für Baukredite auf zehn Jahre.
Kunden der Direktbank DKB, die 200.000 Euro bei einem Kaufpreis von 400.000 Euro benötigen, zahlen Zinsen von 0,76 Prozent bei zehn Jahren Laufzeit. Noch günstiger wird es, wenn Häuslebauer die Darlehenszinsen für einen kürzeren Zeitraum festschreiben.
Bei der Direktbank ING etwa zahlen Kunden für ein Immobiliendarlehen mit fünfjähriger Laufzeit nur noch 0,58 Prozent Zinsen. Darauf erhalten Immobilienkäufer nochmal zahlreiche Rabatte im Rahmen von Sonderaktionen, etwa wenn sich die Immobilie in einer bestimmten Region befindet. Im besten Fall erhalten Kunden bei der ING einen Kredit über 200.000 Euro für 0,28 Prozent Zinsen im Jahr.
Bei allen drei Instituten zahlen Eigenheimkäufer derzeit deutlich weniger Zinsen pro Jahr, als die Inflation die Darlehenssumme zu ihren Gunsten entwertet.
Für die Geldinstitute rentiert sich das Geschäft trotzdem. Seit 2014 müssen die Banken in der Eurozone nämlich Strafzinsen zahlen, wenn sie Kapital bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Der sogenannte Einlagenzins ist mit den Jahren immer weiter gesunken und liegt derzeit bei minus 0,4 Prozent.
In Summe haben die Geldinstitute bis Ende Mai rund 21,1 Mrd. Euro an Negativzinsen gezahlt, zeigt eine Auswertung des Finanzdienstleisters Deposit Solutions. Allein im vergangenen Jahr überwiesen Europas Banken 7,5 Mrd. Euro an die EZB. Verleihen die Institute das Geld zinsgünstig an Kunden, fahren sie unterm Strich nicht nur weniger Verlust ein. Sie können die besonders günstigen Konditionen auch als Marketinginstrument nutzen, um Kunden an sich zu binden.
Zinsniveau soll niedrig bleiben
Marktbeobachter rechnen damit, dass die Zinsen bis auf Weiteres so niedrig bleiben, wie sie derzeit sind. Das geht aus dem aktuellen Bauzins-Trendbarometer von Interhyp hervor. Demnach erwarten die zehn führenden Kreditinstitute in Deutschland für die kommenden Monate mehrheitlich ein stagnierendes Zinsniveau – einige der Befragten halten sogar weiter fallende Bauzinsen für wahrscheinlich.
„Wir sehen derzeit keine Anzeichen für eine nachhaltige Trendwende“, sagt auch Interhyp-Vorstandschefin Mohr. Der Grund: Solange die Konjunktur weltweit schwächelt und die Märkte schwer einschätzbar sind, würden Anleger weiterhin zu sicheren Anlagen wie den zehnjährigen Bundesanleihen greifen. Auch von den Notenbanken würden derzeit keine Impulse für steigende Zinsen ausgehen, sagt Mohr.
Jüngst hat die EZB die Zinswende um weitere sechs Monate nach hinten geschoben und will die Leitzinsen nun bis mindestens Mitte des Jahres 2020 auf der Nulllinie lassen. Der Leitzins hat zwar keine direkten Auswirkungen auf den Bauzins. Er sorgt aber insgesamt für geringere Refinanzierungskonditionen der Banken, die diese zumindest teilweise an die Kunden weitergeben.
Quelle: Capital