Bund, Länder und Gemeinden sind wichtige Akteure auf dem Immobilienmarkt. Doch sie ziehen nicht alle am selben Strang.
Die Bevölkerung in Deutschland wächst rapide. Zählte das Statistische Bundesamt Ende 2013 noch 80,8 Millionen Einwohner, so waren es Ende 2017 bereits 82,8 Millionen – Tendenz: weiter steigend. Gleichzeitig leben immer mehr Menschen allein; gut 42 Prozent aller Haushalte sind Single-Haushalte. Nicht zuletzt dadurch erhöht sich die Wohnfläche pro Kopf.
Wohnte 1990 jeder Einwohner im Schnitt auf 35 Quadratmetern, so beanspruchte 2017 jeder Bürger schon 47 Quadratmeter. Die Konsequenz: Die Nachfrage nach Wohnraum wächst – und steigende Nachfrage treibt die Preise nach oben.
Jährlich müssten 380.000 Wohnungen gebaut werden, um den zunehmenden Bedarf zu decken. Doch dieses Ziel ist nicht realisierbar. Denn die Bauwirtschaft arbeitet schon jetzt an ihrer Kapazitätsgrenze.
In den vergangenen Jahren wurde die Produktion lediglich um 20.000 Wohnungen pro Jahr gesteigert. Angesichts von 285.000 im vergangenen Jahr fertiggestellten Wohnungen dürfte die Wohnungsnot in den nächsten Jahren also eher noch anwachsen.
Ferner führt der Mangel an rentierlichen Geldanlagen dazu, dass immer mehr Anleger in Immobilien investieren. Und weil für Baukredite kaum Zinsen anfallen, sind Investoren bereit und in der Lage, immer höhere Summen zu finanzieren — bekanntlich entspricht der Wert einer Investition der Summe der abgezinsten erwarteten Erträge.
All dies ist bekannt und wenig überraschend. Verwunderlich ist jedoch, dass der Politik dieses Problem offenbar lange verborgen blieb. Dabei ist der Staat keineswegs nur unbeteiligter Zuschauer auf dem Wohnungsmarkt. Im Gegenteil: Es gibt wohl keinen anderen Markt, auf dem Bund, Länder und Gemeinden stärker mitmischen.
Auch der Bund treibt ein doppeltes Spiel
Die Gemeinden haben das Recht, Bauland auszuweisen und über Bebauungspläne vorzuschreiben, was auf einem Grundstück errichtet werden darf und was nicht. Und wer ein Wohnhaus bauen will, der muss heute rund 3300 Normen beachten. Das treibt die Kosten in die Höhe. Allein wegen der gestiegenen energetischen Anforderungen ist der Bau einer Mietwohnung seit dem Jahr 2000 um geschätzte 20 Prozent teurer geworden.
An den steigenden Baukosten partizipieren wiederum die Bundesländer über die Grunderwerbsteuer prächtig. Aus einer Milliarde Euro Aufkommen im Jahr 1983, als die Steuer grundlegend reformiert wurde, sind heute fast 14 Milliarden Euro für die Länderkassen geworden. Steuersätze von 6,5 Prozent sind längst keine Seltenheit mehr.
Auch der Bund treibt ein doppeltes Spiel
Über das Mietrecht reglementiert er die Rechte von Mietern und Vermietern: Er schreibt vor, wie stark die Mieten steigen dürfen und unter welchen Voraussetzungen ein Mietvertrag gekündigt werden darf.
Und er regelt, inwieweit Mieter Modernisierungskosten tragen müssen und wer die Maklerkosten zu zahlen hat. Gleichzeitig stimuliert der Bund auch die Nachfrage. Ob Wohn-Riester, Wohnungsbauprämie, das neue Baukindergeld oder verbilligte Kredite der Staatsbank KfW – all diese Maßnahmen sollen den Immobilienerwerb fördern. Dies hat zur Folge, dass noch mehr Geld in den Markt fließt, sodass die Preise weiter steigen.
Der Staat hat also viele Stellschrauben, um am Wohnungsmarkt zu drehen – vielleicht zu viele. Denn einige vom Staat verfolgten Ziele stehen mit anderen im Konflikt. Die Länder sanieren ihre Etats mit steigenden Grunderwerbsteuereinnahmen und verteuern damit den Immobilienerwerb.
Immer schärfere Standards drosseln zwar den Energiebedarf von Neubauten, doch verteuern auch sie den Wohnungsbau weiter. Und Investoren sollen mit günstigen Abschreibungsregeln angelockt werden, während sie gleichzeitig durch verschärfte Regeln für Mieterhöhungen abgeschreckt werden.
Was offensichtlich fehlt, ist eine Gesamtstrategie. Ein Blick in die Niederlande könnte weiterhelfen. Dort wurde das Baugesetzbuch grundlegend neu geschrieben, alle Verordnungen und Gesetze kamen auf den Prüfstand. Viele Regeln wurden gestrichen, andere vereinfacht. Im Ergebnis sanken die Baukosten erheblich. In Deutschland hingegen hat jedes Bundesland eine eigene Bauordnung und sein eigenes Architektengesetz.
Kostensparende Modularisierung und Standardisierung auf dem Bau wird so deutlich erschwert. Wer das Bauen wirklich billiger machen will, der muss die bestehenden Baunormen kritisch hinterfragen, vereinfachen und harmonisieren. Ein erster Schritt wäre, wenn bei allen neuen Wohnungsbauvorschriften vor Einführung geschätzt würde, welche Folgen sie für die Baukosten haben.
Weil Wohnungspolitik eine Langfristaufgabe ist, wird jedoch der, der umziehen will, auch in naher Zukunft viel Geduld aufbringen müssen. Denn eins ist sicher: Das von der Kanzlerin ausgegebene Ziel, bis 2021 rund 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, wird sicher weit verfehlt. Nicht zuletzt schon deshalb, weil Fachkräfte auf dem Bau derzeit Mangelware sind.
Quelle: Handelsblatt