Es gab Anzeichen, dass sich der ewige Mietenanstieg durch die Coronakrise verlangsamt – vielleicht sogar endet. Doch aktuelle Daten zeigen, dass das nicht passieren wird. Nur der Studenten-Effekt sorgt in manchen Regionen für Ausnahmen.
Mieter in Deutschlands Großstädten können auch in der Covid-19-Krise nicht durchatmen. Zumindest dann nicht, wenn sie auf der Suche nach einer neuen Wohnung sind. Denn trotz zeitweisem Lockdown halten die Preissteigerungen auf dem Mietmarkt weiter an.
In drei von vier Städten sind die Angebotspreise für Neuvermietungen im ersten Halbjahr 2020 gestiegen, zeigen neue Zahlen des Portals Immowelt, das wie WELT zur Axel Springer SE gehört.
Am stärksten waren demnach die Anstiege in den Städten Offenbach und Reutlingen. Dort verlangten Vermieter im Mittel zehn Prozent mehr als im ersten Halbjahr des Vorjahres. Auch andere Experten sehen im Immobilienmarkt weitere Preissteigerungen.
Zwar habe sich das Wachstum der Angebotsmieten in vielen deutschen Großstädten bereits im vergangenen Jahr verlangsamt, sagt Immowelt-Chef Cai-Nicolas Ziegler. „Eine generelle Trendwende ist allerdings nicht zu erkennen.“
Mieter müssen sich also wohl dauerhaft darauf einstellen, dass sie im Fall eines Umzugs für eine neue Wohnung deutlich mehr bezahlen müssen – und dass die Angebotsmieten von Jahr zu Jahr weiter steigen werden.
Der jüngste Anstieg zeigt sich auch in den offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis). Demnach ist der Index der Wohnungsmieten im April, Mai und Juni jeweils um 1,4 Prozent gestiegen, im März sogar um 1,5 Prozent.
18,80 Euro Miete pro Quadratmeter
Damit wachsen die Kosten fürs Wohnen weiterhin deutlich stärker als die Verbraucherpreise insgesamt. Die Inflation schätzt das Statistische Bundesamt für den vergangenen Monat wie für den April auf 0,9 Prozent. Im Mai hatte das allgemeine Preiswachstum sogar nur 0,6 Prozent betragen.
Von den durchschnittlichen Mietpreisanstiegen, wie sie die Bundes-Statistiker für das ganze Land berechnen, können Wohnungssuchende in den meisten Großstädten nur träumen. Die extremsten Anstiege registrierten die Immowelt-Experten im ersten Halbjahr für die Städte Offenbach und Reutlingen mit jeweils plus zehn Prozent.
Die Angebotsmieten stiegen dort auf 11,10 Euro, beziehungsweise 10,20 Euro pro Quadratmeter. Danach folgen Ludwigshafen mit acht Prozent Plus und Bochum und Braunschweig mit jeweils sieben Prozent Mietsteigerung.
Auch die größten Städte verzeichnen weitere Preisanstiege: In Köln verteuerten sich die Mieten um fünf Prozent auf 11,10 Euro pro Quadratmeter. Die Preise in Berlin stiegen um vier Prozent auf 12,20 Euro (inklusive Neubauten), in Hamburg legten sie um drei Prozent zu (12,10 Euro) und das ohnehin extrem teure München verteuerte sich weiter um zwei Prozent auf 18,80 Euro Miete pro Quadratmeter.
Preisrutsch in einigen Städten
Die Immowelt-Auswertung listet jeweils die Medianpreise für Wohnungen mit 40 bis 120 Quadratmetern, also den mittleren Wert der jeweiligen Angebote auf der Plattform.
Durch den Median werden Ausreißer nach unten oder oben ausgeblendet, die den Durchschnittswert verzerren würden. Außerdem fließen in die Berechnung nur Angebote ein, die auch nachgefragt wurden. Die Preise sind Nettokaltmieten bei Neuvermietung.
Dass diese Preise auch in Berlin deutlich gestiegen sind, verwundert auf den ersten Blick. Denn in der Hauptstadt gilt mit dem Mietendeckel die schärfste Wohnungsmarktregulierung im ganzen Land. Offensichtlich kann aber auch er den allgemeinen Preisanstieg im Mietmarkt nicht bremsen – sondern nur da, wo er auch gilt.
Das Plus von vier Prozent geht der Auswertung zufolge überwiegend auf Neubauwohnungen ab Baujahr 2014 zurück. Für sie gilt der Mietendeckel nicht, und ihre Eigentümer haben die Mieten offenbar derart kräftig angezogen, dass der Medianmarktpreis insgesamt auf 12,20 Euro pro Quadratmeter steigen konnte.
Umgekehrt zeigt der Preisrutsch in der Berliner Nachbarstadt Potsdam (minus neun Prozent auf zehn Euro), wie konträr sich die Hauptstadtregion im Vergleich zu den anderen deutschen Ballungsräumen entwickelt. In anderen Pendlerwohnorten, beispielsweise in Augsburg, ziehen die Preise nämlich deutlich an. Rückläufig sind sie fast nirgendwo.
Leichte Preiskorrekturen ließen sich lediglich dort erkennen, wo in der Vergangenheit extreme Anstiege stattfanden, sagt Immowelt-Chef Ziegler. „In kleineren Universitätsstädten, wo derzeit wegen der Corona-Pandemie die neuen Studenten ausbleiben, entspannt sich der Mietmarkt jedoch etwas.“
Das könnte die Entwicklung in Potsdam mit erklären. Und es ist sicher die Ursache für die Preisrückgänge in Heidelberg (minus vier Prozent), Münster und Freiburg (jeweils minus fünf Prozent). Die Medianmieten in diesen Studentenstädten liegen zwischen zehn Euro und 11,90 Euro pro Quadratmeter.
Ob die Preise mit Beginn des Wintersemesters erneut steigen, hängt davon ab, ob die Unis wieder zu vollem Präsenzbetrieb übergehen können und auch davon, ob ausländische Studenten dann wieder ins Land einreisen dürfen.
Aktuell steigen die Mieten im ganzen Land im Durchschnitt deutlich an. Das zeigen die Zahlen des Immobilienbewerters Sprengnetter. Demnach haben die Angebotsmieten in den zehn größten deutschen Städten zuletzt fast wieder ihren Höchststand 2020 erreicht.
Während der Lockdown-Monate war der Mietdurchschnitt in der Sprengnetter-Kurve leicht gesunken. Nun kostet eine Wohnung in einer der zehn Metropolen im Schnitt 12,53 Euro je Quadratmeter. Auch die Zahl der angebotenen Wohnungen ist demnach zuletzt wieder leicht gestiegen.
Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt ein Problem. Vor allem der rückläufige soziale Wohnungsbau alarmiert die Mietervertreter.
„Diese Wohnungen sind aufgrund der Mietpreis- und Belegungsbindung das mit Abstand wichtigste Instrument zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums“, sagt Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten.
Wiederaufnahme des Miet-Moratoriums
Weil aber jedes Jahr Tausende Wohnungen wegen der zeitlich begrenzten Preisbindung aus der Förderung fielen, sei der Bestand an Sozialwohnungen seit Jahren dramatisch rückläufig: von mehr als zwei Millionen Wohnungen 2006 auf derzeit noch 1,18 Millionen.
Siebenkotten fordert, dass bis 2030 jährlich 80.000 neue Sozialwohnungen gebaut und für jeweils 75.000 bestehende Wohnungen Preis- und Sozialbindungen geschaffen werden.
Außerdem wollen die Mieterschützer eine Wiederaufnahme der Corona-Schutzmaßnahmen für Mieter, die von April bis Juni gegolten hatten. Die Bundesregierung hatte darin ein Miet-Moratorium verhängt, dass es Vermietern verboten hat, Verträge bei Zahlungsrückständen zu kündigen.
Wer seine Miete in den betreffenden Monaten nicht bezahlen konnte, hat nun bis Ende 2021 Zeit, die Rechnung zu begleichen. Diese Regel will auch die SPD-Bundestagsfraktion bis Ende September wieder in Kraft setzen. Der Koalitionspartner CDU lehnt eine solche Verlängerung aber ab.
Quelle: Welt