Jahrelang sahen die Käufer einer eigenen Immobilie darin vor allem eine gute Geldanlage. Das hat sich geändert. Betongeld verliert seine Renditekraft. Eine neue Motivation aber pumpt die lokalen Preisblasen weiter auf.
Das Eigenheim am Stadtrand oder die schmucke Eigentumswohnung in der City – eine eigene Immobilie war für die meisten Deutschen jahrzehntelang nicht nur ein Traum, sondern ganz einfach die beliebteste Form der Altersvorsorge. Wer rechtzeitig kauft und den Kredit bis zum Renteneintritt zurückzahlt, kann im Alter nicht nur mietfrei wohnen, sondern hat obendrein noch ein kleines Vermögen in Form von Betongold aufgebaut.
So jedenfalls die Erwartung. Ob diese Rechnung später auch aufgeht oder nicht, ist eine andere Frage. Aber die Hauptmotivation für den Immobilienkauf lautete stets: Vermögen aufbauen, finanzielle Sicherheit schaffen. Das zeigten die meisten Umfragen.
Nun ist ein weiteres Motiv hinzugekommen, wie eine repräsentative Umfrage der Schweizer Großbank UBS zeigt – Angst. Genauer gesagt: Angst vor immer weiter steigenden Mieten. Und diese Angst ist so groß, dass sie innerhalb kürzester Zeit zum wichtigsten Antrieb für den Immobilienkauf in Deutschland geworden ist.
Inzwischen sagen 30 Prozent der Bundesbürger, dass sie vor allem aus Angst vor zu hohen Mieten gerne eine eigene Immobilie kaufen würden. Vor einem Jahr lag dieser Anteil noch unter 25 Prozent. Und damals sagten noch fast 35 Prozent der Befragten: Die Hauptmotivation für den Kauf ist der Vermögensaufbau und die Altersvorsorge.
Auch die Bauzinsen verlocken
Innerhalb von Monaten hat sich das Verhältnis komplett geändert. Der Anteil der Betongold-Idealisten schrumpfte auf jetzt 28 Prozent. Und die Angst vor dem Mietpreisboom tritt an die erste Stelle. Gleichzeitig steigt der Anteil derjenigen, die einfach nur noch die niedrigen Bauzinsen ausnutzen wollen – unabhängig davon also, ob man mit der Investition nun auch noch Rendite macht oder nicht.
Zu der zunehmenden Angst vor steigenden Mieten passen auch weitere Ergebnisse der Umfrage, die unter Federführung des Ökonomen Felix Huefner zustande kam: Rund 50 Prozent der befragten Bürger berichteten von Mietpreissteigerungen von mehr als sechs Prozent innerhalb der letzten zwei Jahre. Im Vorjahr beobachteten „nur“ 45 Prozent einen solchen Preisanstieg. In urbanen Regionen stieg der Anteil nun sogar auf fast 60 Prozent. „Und die Befragten erwarten sogar noch stärker steigende Preise“, analysieren die UBS-Ökonomen. „Für die nächsten zwei Jahre lassen die Umfrageergebnisse auf einen Mietpreisanstieg von 7,9 Prozent schließen, in urbanen Regionen sogar von 8,5 Prozent.“ Das sei der stärkste Anstieg seit 1992.
Kein Wunder also, dass die Mieten-Angst zum Hauptmotiv für die Kaufinteressenten geworden ist. Zumal die Mehrheit der Befragten die bisherigen Versuche der Bundesregierung, beispielsweise über die Mietpreisbremse den Preisboom einzuhegen, für unzureichend hält. Nach UBS-Angaben gilt die Studie als repräsentativ. Sie wird jedes Jahr im Mai unter gut tausend Teilnehmern im volljährigen Alter durchgeführt und im „Housing Survey“ zusammengefasst.
41 Prozent glauben an guten Kaufzeitpunkt
Dieser jährliche Marktüberblick aus der Schweiz zeigt dieses Mal auf beeindruckende Weise, wie schnell sich der Markt in Deutschland gewandelt hat. „Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in der deutschen Volkswirtschaft der vergangenen zehn Jahre ist der Immobilienboom“, schreiben die Autoren und verweisen auf einen nominalen Preisanstieg, also ohne Anrechnung der Inflation, von 37 Prozent seit 2010. Im Durchschnitt der OECD-Mitgliedstaaten habe dieser Preisanstieg nur bei 28 Prozent gelegen.
Trotzdem seien die Hauspreise in Deutschland in realen Preisen, also bereinigt um die allgemeine Inflation, erst wieder auf dem Niveau der 90er-Jahre angekommen. Seit den 70er-Jahren habe es fast ständig Preisrückgänge gegeben. Noch vor acht Jahren sei das Niveau deshalb inflationsbereinigt etwa so hoch gewesen wie im Jahr 1970.
Nun also geht es rasant nach oben. Vor allem in den großen Städten werden Preise von oft mehr als 5000 Euro pro Quadratmeter verlangt. Das macht die eigene Immobilie immer unattraktiver in Sachen Vermögensaufbau – was den Bundesbürgern wohl auch bewusst ist, aber trotzdem nicht den Willen zum Kauf beeinträchtigt. Denn auch das ist ein Umfrageergebnis der UBS: Aktuell glauben 41 Prozent der Befragten, dass jetzt ein guter Zeitpunkt für den Kauf ist. Im vergangenen Jahr waren es aber noch 46 Prozent.
Trotzdem ist der Anteil derjenigen, die tatsächlich einen Kauf planen, gestiegen, nämlich von 15 Prozent im vergangenen Jahr auf 18 Prozent in diesem Jahr. Erstaunlicherweise ist der Anteil derjenigen, die in urbanen Regionen kaufen wollen, sogar noch gestiegen, trotz der dort besonders hohen Preise. Etwa 20 Prozent würden gerne in der Stadt kaufen (vergangenes Jahr: 17 Prozent). Auf dem Land dagegen sank der Anteil der Kaufwilligen noch einmal leicht auf 13 Prozent.
Kaufen aus Verzweiflung und Angst
Dabei sind sich die urbanen Käufer durchaus darüber im klaren, dass es jetzt kein besonders günstiger Zeitpunkt ist für den Kauf: Nur noch 35 Prozent von ihnen sagen, dass sich der Kauf jetzt lohnt. Im vergangenen Jahr waren es noch 40 Prozent. Sogar am Stadtrand wachsen die Immobilien-Zweifel. Dort glauben nur noch 44 Prozent der Käufer an eine gute Einstiegsgelegenheit, nach 50 Prozent im Jahr 2017.
Die hohen Preise und die zunehmende Unwirtschaftlichkeit von Wohneigentum – zumal die Kaufnebenkosten in Deutschland im OECD-Vergleich unvergleichlich hoch sind – schrecken also ab, ändern aber nichts an den konkreten Kaufplänen. Die Bürger kaufen zunehmend aus Verzweiflung und Angst, und nicht, weil sie sich einen finanziellen Gewinn davon erhoffen. So könnte man die UBS-Ergebnisse auch zusammenfassen.
Unter dem Strich bedeutet das: Die Bürger wissen, dass selbstgenutztes Wohneigentum sehr teuer geworden ist. In Ballungsgebieten eigentlich fast schon zu teuer. Doch die Mieten-Angst treibt sie trotzdem in dieses Investment. Und pumpt damit die lokalen Preisblasen weiter auf. Denn darüber sind sich die meisten Akteure am Immobilienmarkt einig: Wenn irgendwann die Zinsen steigen sollten, besteht in den heute sehr teuren Lagen ein Preisrückgangs-Risiko von bis zu 30 Prozent – so jedenfalls lautet die Prognose des Marktforschungsinstitus Empricia. Wer glaubt, eine heute teuer gekaufte Immobilie im Alter mit Gewinn wieder losschlagen zu können, liegt unter Umständen also falsch.
Das neue Baukindergeld, mit dem der Bund jetzt Familien bei der Tilgung von Wohnkrediten unterstützt, spielt als Kaufantrieb kaum eine Rolle. Dabei war genau das die Begründung der Bundesregierung dafür, diese milliardenschwere Subvention einzuführen: mehr Familien dazu zu motivieren, Wohneigentum zu bilden. Laut UBS ist dieser Effekt jedoch kaum messbar, zumindest was die Umfrage im Mai angeht: Da sagten lediglich sechs Prozent der Befragten, das Baukindergeld würde sie zum Kauf einer Wohnung oder eines Hauses bewegen.
Der Hauspreisboom in Deutschland ist vor allem ein Berlin-Boom, wie die UBS-Umfrage ebenfalls zeigt. Auf die Frage „Wo würden Sie am liebsten hinziehen“ antworteten immerhin fast elf Prozent: nach Berlin. Auf Platz zwei liegt mit gut zehn Prozent der Antworten Baden-Württemberg gefolgt von Bayern.
Unterschiedliche Entwicklung in Metropolen
Vom Hauptstadt-Boom profitiert auch die Accentro AG, die vor allem in Berlin Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandelt und an Investoren verkauft. Bei der Vorstellung eines „Wohneigentums-Reports“ sagte Accentro-Vorstand Jacopo Mingazzini: „Solange die Zinsen so niedrig bleiben wie sie sind und solange der Zuzug in die Metropolen anhält, sehe ich keinen Spielraum für Preissenkungen. Wir rechnen mit weiter steigenden Preisen, allerdings nicht mehr mit dieser Geschwindigkeit.“
Während die Umsätze sowie die absoluten Verkäufe rückläufig sind, sind die Wohnungspreise in den deutschen Großstädten auch 2017 gestiegen, meldet Accentro. Der durchschnittliche Verkaufspreis sei 2017 um 4,56 Prozent nach oben gegangen. Ein Jahr zuvor allerdings habe der Anstieg noch 7,73 Prozent betragen. Accentro zieht diese Erkenntnisse aus Daten der örtlichen Gutachterausschüsse, die quasi die offizielle Verkaufspreisstatistik führen. Im Durchschnitt kostete im Jahr 2017 eine Wohnung in den erfassten deutschen Großstädten 239.493 Euro, meldet Accentro.
Die Entwicklung in den Metropolen sei dabei sehr unterschiedlich. Insgesamt sei der Preisanstieg in den sieben größten Städten des Landes noch immer enorm – mit knapp 6,8 Prozent Plus im Jahr 2017. „Insbesondere in Düsseldorf haben sich die Wohnungspreise deutlich um 18,8 Prozent verteuert“, schreibt Accentro, „auch in Hamburg sind die Umsätze je Verkauf um 13,17 Prozent gestiegen.“
In Berlin seien die Umsätze je Verkauf ebenfalls gestiegen (um 5,5 Prozent), allerdings habe im Jahr zuvor das Plus noch 16,7 Prozent betragen. In einer Stadt gab es sogar eine noch deutlichere Beruhigung: In Köln sind die Umsätze je Verkauf laut Accentro im Jahr 2017 leicht zurückgegangen.
Quelle: Welt