Berlin baut lieber Mietendeckel statt einen Flughafen – und kriegt bundesweit Applaus. Der Wohlstand von morgen hat offenbar keine Priorität mehr.
Die erste Generation verdient das Geld, die zweite verwaltet das Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte und die vierte verkommt. Otto von Bismarcks Meinung zum Thema Reichtum wirkt aktueller denn je. Wäre das Land Berlin eine Unternehmerfamilie, so würden die Enkel jetzt gerade die Zukunft der Dynastie verjubeln. Mit dem neuen Mietendeckel friert der Senat für fünf Jahre die Mieten in der Hauptstadt ein – und damit so gut wie jede Chance auf eine Beseitigung der Wohnungsmisere.
Vielleicht soll das Ganze ja auch eine Verneigung vor der Ostalgie sein, die 30 Jahre nach dem Mauerfall selbst manchen Politiker ergreift. Aber in erster Linie ist es seit geraumer Zeit einer der härtesten Eingriffe in einen Markt – inklusive garantiertem Scheitern. Investoren für die dringend benötigten Neubauwohnungen werden abgeschreckt, die Sanierungen für den Altbestand aufgeschoben. So manche Weltstadt musste diese bittere Erfahrung schon machen. Der Berliner Senat erhält hingegen bundesweit Applaus dafür. Nicht nur die SPD will die Maßnahme am liebsten gleich zur nationalen Lösung ausrufen.
Dass ein Bundesland in Rekordzeit lieber einen Mietendeckel statt einen Flughafen baut, regt hierzulande immer weniger auf. In einer Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche begrüßen über 50 Prozent staatliche Eingriffe im Wohnungsmarkt, rund 40 Prozent befürworten gar Enteignungen von Wohnungskonzernen. Die Empörung über die Exzesse auf dem Mietmarkt ist zwar berechtigt. Aber diese Probleme lassen sich nur mit einem konsequenten Mieterschutz und einem größeren Angebot entschärfen. Sozialistisch angehauchte Konzepte lösen gar nichts, sondern ruinieren nur die Substanz.
Politiker huldigen mitunter einem Zeitgeist, dem der Wohlstand von morgen schlicht egal zu sein scheint. Deutschland sollte die Bürokratie deckeln, die ausgefallenen Schulstunden, die Emissionen, die Anzahl verspäteter Züge, die Unternehmenssteuern, die schlimmste Armut, die Funklöcher, die Schlaglöcher – aber sicher keine Preise. Sie gehören zu einer sozialen Marktwirtschaft wie die Luft zum Atmen. Ansonsten deckelt das Land seine Zukunft.
Wenn die Weltkonjunktur lahmt, muss für ein Industrieland die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der Jobs Priorität genießen. Das Studium der Kunstgeschichte ist für diese Aufgabe leider nutzlos, hat Bismarck richtig erkannt.
Quelle: Wirtschaftswoche