Bis Ende Juni konnten Mieter, denen pandemiebedingt die Einnahmen fehlten, ihre Miete stunden. Für viele hat dieser Corona-Kündigungsschutz die Geldsorgen aber nur vertagt. Besonders Gewerbetreibende wissen nun nicht mehr weiter.
Gastronom Tobias Lintz betreibt in München zwei Bars. Das „Unterdeck“ ist seit dem Lockdown geschlossen, das „Holy Home“ versucht er mit Straßenverkauf über Wasser zu halten. Zweimal musste er die Miete allerdings schon stunden. Dass das möglich war, hat er dem Kündigungsschutz zu verdanken, den die Bundesregierung zwischen April und Juni eingeführt hatte. Das habe zwar Druck herausgenommen, sagt Lintz, aber letztlich seine Probleme nur verschoben. Denn nachholen muss er die Zahlungen trotzdem.
Kommunen verzeichnen Anstieg der Wohngeldanträge
Der Deutsche Mieterbund schätzt, dass 15 bis 20 Prozent der Mieter künftig in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten. Denn selbst ohne eine zweite Corona-Welle drohten im Herbst pandemiebedingte Kündigungen und Insolvenzen. Schon jetzt drehe sich jede zehnte Beratung beim Mieterbund um das Thema coronabedingte Zahlungsprobleme.
Auch die Kommunen bekommen die finanziellen Probleme der Mieter zu spüren. Laut Deutschem Städtetag ist die Zahl der Wohngeldanträge seit März um 30 bis 50 Prozent gestiegen. Zugleich sei der Beratungsbedarf sehr hoch: Viele Menschen suchten nach Hilfe und Unterstützung, um ihre Miete bezahlen zu können.
In München gab es beispielsweise von März bis Ende Juni 5573 Wohngeldanträge, allein im Juni eine Zunahme von rund 140 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Deutsche Städtetag rechnet damit, dass die Zahl der Anträge noch steigen wird, da sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht entspanne.
Große Welle der Mietausfälle könnte noch kommen
Zu den befürchteten massenhaften Mietausfällen habe die Pandemie bisher allerdings nicht geführt, so der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. An Deutschlands größtes Immobilienunternehmen Vonovia wandte sich nur knapp ein Prozent seiner rund 350.000 Mieter mit der Bitte um Mietstundungen.
Während die Wohnungsmieten bislang relativ stabil gezahlt worden seien, stelle sich die Situation bei den Gewerbemieten dramatischer dar: In Hamburg beispielsweise steht laut dem Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen jede fünfte Gewerbemiete aufgrund von Corona aus.
Auch der Eigentümerverband Haus und Grund schätzt die Lage der Gewerbemieter gravierender ein als die der Wohnungsmieter: „Wir wissen, dass viele Gewerbetreibende am Ende ihrer Kräfte sind“, so Verbandspräsident Kai Warnecke. Es drohe nicht nur ein Desaster für die Mieter und ihre Mitarbeiter, sondern auch für Deutschlands Innenstädte, wenn Handel, Gewerbe und Kneipen aus diesen verschwänden. „Jetzt muss der Blick auf diejenigen gerichtet werden, denen das Wasser bis zum Hals steht“, findet Warnecke.
Mieterbund fordert „Sicher-Wohnen-Fonds“
Der Deutsche Mieterbund fordert einen „Sicher-Wohnen-Fonds“, der die Mieten derjenigen übernähme, die pandemiebedingt in Zahlungsschwierigkeiten gekommen sind. Sollte der Mieter das Geld nachweislich nicht zurückzahlen können, würde der Kredit in einen Zuschuss umgewandelt. Alle anderen müssten das zinslose Darlehen zurückzahlen, so die Vorstellung der Mieterbundes.
Der Eigentümerverband Haus und Grund hält von einem solchen Fonds nichts und nennt die Einschätzung des Mieterbundes Panikmache. „Im Bereich der Wohnraummiete gibt es keine Probleme. Wir haben festgestellt, dass die staatlichen Sicherungssysteme, die in der Krise ausgebaut worden sind, geholfen haben“, so Haus-und-Grund-Präsident Warnecke. Er schlägt stattdessen Einigungsgespräche zwischen Mietern und Vermietern vor.
Gut möglich, dass auch den Vermietern daran liegt, dass Gastronomen, Handwerker oder Handelstreibende ihre Geschäfte behalten können, da sie momentan wohl kaum Nachmieter finden würden. Und eine belebte Innenstadt sei immer auch im Interesse aller Bürger, sagt Warnecke.
Quelle: tagesschau.de