Seit Jahren kennen die Mieten und Preise für Immobilien in Deutschland nur eine Richtung: steil nach oben. In manchen Großstädten sind die Preise regelrecht explodiert. Wie konnte es dazu kommen? Werden die Mieten und Preise weiter steigen? Lohnt sich der Kauf einer Immobilie noch – trotz horrender Preise? Business Insider hat dazu mit dem Immobilienökonomen Michael Voigtländer, vom wirtschaftsnahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, gesprochen.
Voigtländer führt die enorme Preissteigerung im Wesentlichen auf drei Faktoren zurück: „Die Zinsentwicklung, die starke Zuwanderung nach Deutschland und den starken Arbeitsmarkt mit den damit verbundenen Lohnsteigerungen.“ Das sei „eine besondere Konstellation gewesen“ und ein „wirklich besonderer Boom“.
„Ich rechne mit weiter steigenden Preisen“
Der Ökonom geht davon aus, „dass sich die Mieten und Preise jetzt etwas abflachen, aber weiter steigen werden, wenn auch nicht so stark wie im vergangenen Jahrzehnt“. Gerade in Großstädten und Ballungsgebieten, den „Zentren wirtschaftlicher Aktivität“, würden überproportional Arbeitsplätze entstehen, gerade für Gutverdiener. Wohnen sei „nach wie vor ein sehr knappes Gut und entsprechend rechne ich mit weiter steigenden Preisen“.
Auf sinkende Mieten oder Preise sollte man – gerade in den Großstädten – also nicht hoffen. Für Gutverdiener besteht laut Voigtländer „zumindest die Hoffnung, dass die Lohnsteigerungen höher ausfallen als die Mietsteigerungen“. Hier gebe es große regionale Unterschiede. In Süddeutschland seien die „Mieten wesentlich schneller gestiegen als die Löhne“. Im Norden und Westen seien sie in etwa gleich gestiegen. „Und in Ostdeutschland sind die Löhne stärker gestiegen als die Mieten.“
Der Immobilienmarkt hänge auch von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ab. Heißt: „Wo Menschen mehr verdienen, da sind sie auch bereit, mehr für das Wohnen auszugeben“, sagt Voigtländer.
„Nach wie vor ein gutes Investment“
Einem jungen Menschen würde Voigtländer empfehlen, sofern es möglich ist, eine Immobilie zu kaufen. „Das ist nach wie vor ein gutes Investment.“ Man müsse gegenrechnen: Auf der einen Seite stünden die gestiegenen Preise. Auf der anderen Seite seien die „Zinsen deutlich stärker gefallen“. In vielen Städten, so der Ökonom, sei es günstiger zu kaufen, also die Zinsen zu bezahlen und zu tilgen, als zu mieten. Vorausgesetzt, man hat genügend Zeit, um zu tilgen. „Wer die Tilgung über 30 oder 35 Jahre strecken kann, der kann günstiger leben als ein Mieter und betreibt gleichzeitig Vermögensaufbau.“ Eine bessere Vermögensanlage gebe es nicht, glaubt Voigtländer.
Nur: Ganz so einfach ist es nicht. Denn wer kaufen will, benötigt Eigenkapital – und davon nicht wenig. Selbst ein sicherer Job und ein gutes Einkommen sind heute keine Garantie für einen Kredit bei der Bank. „Hinzu kommen Grunderwerbssteuer und andere Nebenkosten. Das hält viele davon ab, zu kaufen.“ Für diejenigen, die es sich leisten können, etwa, weil sie geerbt haben oder die Eltern bei der Finanzierung mithelfen, sei das „attraktiv und ein gutes Investment“.
„Eine entsprechend attraktive Eigenkapitalrendite erwirtschaften“
Auch als Kapitalanlage seien Immobilien trotz der hohen Preise eine gute Möglichkeit, um Renditen zu erzielen. Anleger würden vom Leverage-Effekt profitieren, also durch gezielte Schulden mehr Gewinn machen. „Es würde niemand auf die Idee kommen, mit Fremdkapital Aktien zu kaufen. Bei Immobilien ist das möglich und es lässt sich eine entsprechend attraktive Eigenkapitalrendite erwirtschaften“, sagt Voigtländer.
Allerdings gibt es auch Risiken, „gerade, wenn man nur eine Immobilie kauft und ausgerechnet dann an den falschen Mieter gerät oder es doch einen höheren Sanierungsbedarf gibt“. So viel Geld, um gleich mehrere Immobilien zu kaufen und so seine Risiken zu diversifizieren, dürften die Wenigsten haben.
„Jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, wo eine Blase platzt“
Das Risiko einer Immobilienblase, die irgendwann platzen könnte, sieht der Ökonom aktuell nicht. „Eine spekulative Blase ist ein wirtschaftspsychologisches Phänomen“, sagt Voigtländer. Die Menschen kauften, weil sie an weiter steigende Preise glaubten. Käme dann ein „überraschendes Ereignis, wie ein Konjunktureinbruch oder eine Pandemie, dann wäre jetzt der Zeitpunkt gewesen, wo eine Blase platzt“. Auch die typischen Anzeichen einer spekulativen Blase seien nicht gegeben. Es werde weder wahnsinnig viel gebaut, noch sei die Kreditvergabe in die Höhe geschossen. „Das sind keine spekulativ getriebenen Preise, sondern von der Knappheit getriebene Preise“, sagt Voigtländer.
Zur Wohnungspolitik in Deutschland sagt Voigtländer, er habe das Gefühl, dass Bauen nicht die höchste Priorität hatte und vieles liegen geblieben sei. Es müssten mehr Anreize geschaffen werden, damit Kommunen Bauland ausweisen. Auch über komplett neue Stadtteile in den Großstädten müsse nachgedacht werden.
„Knappheit lässt sich nicht verbieten“
Versuche wie in Berlin, wo mit dem – mittlerweile durch das Bundesverfassungsgericht gekippten – sogenannte Mietendeckel versucht wurde, einen weiteren Anstieg der Mieten zu verhindern, würden „letztlich nur die Probleme verschleiern“ und seien keine nachhaltige Strategie, um mit der Wohnungsknappheit umzugehen. „Knappheit lässt sich nicht verbieten“, sagt Voigtländer. Bauen sei der wichtigste Hebel, damit die Preise weniger stark ansteigen.
Quelle: Business Insider