Fast zwei Drittel der Immobilienprofis würden das Gesetz zur Mietpreisbremse auch wegen Unwirksamkeit gerne komplett abschaffen. Das ist das – wenig überraschende – Ergebnis des Marktmonitors 2018 des Immobilienportals Immowelt. Der Zeitpunkt der Verlautbarung hat gewiss Methode: Das Bundesjustizministerium legt in den nächsten Tagen das Ergebnis seiner Mietpreisbremsen-Evaluation vor. Diese wird wahrscheinlich zu einer anderen Einschätzung kommen.
Der Marktmonitor, für den 315 zufällig ausgewählte Experten aus der Immobilienbranche befragt wurden, sei in diesem Jahr erstmals in Zusammenarbeit mit Prof. Bertram Steininger vom KTH Royal Institute of Technology in Stockholm durchgeführt worden, betont Immowelt die Wissenschaftlichkeit der Untersuchung. Danach finden 63% der Befragten, dass die seit 3,5 Jahren existierende Bremse abgeschafft werden soll, 35% empfehlen Anpassungen, auch weil sie ohnehin nicht funktioniere, lediglich 2% finden das Gesetz gut so wie es ist.
Prüfung auf zwei Ebenen
Wie gut die Bremse wirkt, das sollte eine Evaluation des Bundesjustizministeriums unter Katarina Barley (SPD) nun nach Ansicht der Auftraggeber objektiv herausfinden. Die Evaluation erfolgte dabei in zwei Teilen. Für die „wirtschaftlichen“ Effekte der Mietpreisbremse, also die Auswirkungen auf die Teilnehmer des Wohnungsmarkts, wurde ein externes Institut beauftragt. Die rechtliche Prüfung hat das Ministerium intern durchgeführt. Wie bereits berichtet, haben Gerichtsurteile die Bremse als nicht verfassungsgemäß bewertet, weil gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen werde. Die juristische Prüfung des Ministeriums wollte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aber nicht abwarten.
DIW erforscht Wirksamkeit
Das vom Ministerium beauftragte Institut ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Böse Zungen behaupten, es habe sich für die Aufgabe qualifiziert, weil es in einer im Februar 2018 veröffentlichten Untersuchung (gemeinsam mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) unter anderem zu dem Schluss kam: „Die Mietpreisbremse ist besser als ihr Ruf, die Erwartungen waren vielerorts schlicht zu hoch“, so Andreas Mense von der Universität Erlangen-Nürnberg. „Die Mietpreisbremse ist keine grundsätzliche Fehlkonstruktion“, hielt Claus Michelsen vom DIW fest. Auch Institute wie empirica aus Berlin und das Institut für Wirtschaft (IW) in Köln bescheinigten der Bremse zwischenzeitlich eine zumindest leichte preisdämpfende Wirkung.
Warum steigen die Preise ungebremst weiter?
Laut der DIW-Studie greift die Mietpreisbremse dann, wenn die Neuvertragsmieten in einer Region in den vier Jahren vor der Einführung im Schnitt um mindestens 3,9% pro Jahr gestiegen sind. In Gegenden, in denen die Neuvertragsmieten für bestehende Wohnungen zuvor jährlich um mehr als 4,8% kletterten, gingen die Mieten mit Einführung der Mietpreisbremse sogar einmalig um rund 3% zurück. So beispielsweise in Teilen von Berlin-Mitte und -Neukölln, München-Laim und -Schwabing, im Stuttgarter Heusteigviertel oder im Innenstadtbereich von Bielefeld. Grundätzlich müsse sehr differenziert und kleinteilig untersucht werden, besagte die Studie.
Die Kritiker der Bremse warten meist mit (Angebots-)Preissteigerungen als Gegenargument für die Wirksamkeit der Bremse auf. Immowelt etwa mit diesen Vergleichen: Seit 2015 kletterten die Mieten in Berlin von 8,50 Euro/qm (Median) auf 11,40 Euro/qm. Die Steigerungsrate von 34% liege damit deutlich über den 25%, mit denen die Preise in den drei Jahren vor der Einführung der Mietpreisbremse zugenommen haben. In München lagen die Mietpreise auf einem Rekordhoch von 17,90 Euro/qm. Seit Einführung der Mietpreisbremse im August 2015 hätten sie sich um 19% nach oben entwickelt. Damit zeichne sich beinahe dasselbe Bild ab wie im Dreijahreszeitraum vor 2015, meint Immowelt.
Skepsis gegen Verschärfung
Die Bremse, beschlossen im Sommer 2015, gilt derzeit in 313 von rund 11.000 Städten und Gemeinden in Deutschland, in denen etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt. Sie besagt, dass bei Wiedervermietung die Miete um maximal 10% oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden darf. Seit Anfang dieses Jahres gibt es zudem eine Verschärfung: Danach müssen Vermieter neuen Mietern automatisch Auskunft über die Höhe der Vormiete geben, falls diese über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Die für den Immowelt-Marktmonitor befragten Makler stehen der Verschärfung mit Skepsis gegenüber. So bezweifeln 76%, dass sich die Markttransparenz für Mieter durch die Verschärfung verbessern wird.
Alles wird im Netz stehen
Die Evaluation, die in Kürze veröffentlicht wird, konnte Auswirkungen der Verschärfung natürlich noch nicht berücksichtigen. Branchenexperten erwarten, dass ihr Ergebnis sich stark an die erste DIW-Studie anlehnen wird und gewiss nicht den Rang einer „ultimativen Prüfung“ haben werde, die keiner mehr anfechten könne. Der voraussichtliche Tenor: Erste Bremseffekte zeigen sich, es muss und wird im Sinne der Mieter aber noch alles besser werden. Deshalb wird der Mietspiegel reformiert usw. Das Ministerium selbst möchte vorab keinerlei Auskunft geben, nur so viel: „Alle Ergebnisse werden sofort ins Netz gestellt.“
Quelle: Immobilien Zeitung