Durch die Corona-Pandemie dürften die Immobilienpreise deutschlandweit sinken – am stärksten in hochpreisigen Regionen wie München, Hamburg und Stuttgart. Der Effekt könnte aber nur von kurzer Dauer sein. Zudem deuten die Erfahrungen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise darauf hin, dass Mieten von einem Preisverfall kaum betroffen sein werden.
Die Haus- und Wohnungspreise sind im Jahr 2019 und in den ersten beiden Monaten dieses Jahres weiter angestiegen, wenn auch nicht mehr ganz so stark wie in den Jahren 2017 und 2018. Aktuelle Auswertungen des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zeigen, dass die Preissteigerung vor allem von einzelnen Ballungszentren ausging. Das war die Entwicklung, bevor das Coronavirus Deutschland erreichte. Alle Experten sind sich einig, dass die Pandemie auch den Immobilienmarkt stark beeinflussen wird. Fraglich ist, wie groß die Auswirkungen sein werden und wie sie sich regional verteilen.
Immobilien brauchten Jahre, um Wertverlust nach der Wirtschaftskrise auszugleichen
Zur Beantwortung der Frage lohnt sich ein Blick zurück auf die Finanz- und Wirtschaftskrise: Während sich der Markt für Mietwohnungen nach 2008 sehr schnell erholte und die Neumieten in Deutschland seitdem kontinuierlich anstiegen, sanken die Kaufpreise für private Immobilien in den Jahren 2009 und 2010 deutlich.
Die Häuserpreise erreichten erst im Laufe des Jahres 2014 wieder das Niveau von 2008. Bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts gab es auch nur geringe regionale Unterschiede in der Entwicklung, die Immobilienpreise stiegen deutschlandweit relativ gleichmäßig an. Der extreme Preisanstieg bei Wohnungen und Häusern begann erst nach 2015 und wurde vor allem durch die erhöhte Nachfrage in einigen Metropolregionen getrieben, die als Wohn- und Arbeitsort besonders attraktiv sind. Dazu zählen insbesondere München, Stuttgart und Frankfurt.
Corona-Krise könnte das Umland wieder beliebter machen
Dies dürfte sich nun vorerst ändern: Je stärker die Auswirkungen der Corona-Pandemie sein werden, desto stärker wird die Anziehungskraft dieser Metropolen abnehmen. Firmen werden erst einmal kaum neue Arbeitsplätze schaffen – diese entstanden in den vergangenen Jahren zum großen Teil in den Ballungszentren. Zu erwarten ist auch, dass das Lohnwachstum geringer ausfallen wird. Infolgedessen wechseln weniger Beschäftigte ihren Job.
Insgesamt werden die Pandemie und der damit verbundene Einbruch der Wirtschaft dazu führen, dass viele Menschen nicht nur weniger Einkommen haben werden, sondern auch eine größere Angst vor Arbeitslosigkeit. Die Risikobereitschaft wird dadurch voraussichtlich sinken. Entsprechend kleiner wird der Anteil derer, die Eigentum kaufen wollen oder bereit sind, in eine neue Region zu ziehen. Diese Effekte verringern die Immobilienpreise deutschlandweit, aber vor allem dort, wo bis vor kurzem die Nachfrage das Angebot an Immobilien übertroffen hat – in den Metropolen.
Hinzu kommt, dass die Pandemie die Attraktivität des Landlebens gegenüber dem Wohnen in den dicht besiedelten Regionen erhöht: Abstand halten, Sport treiben oder spazieren gehen ist dort deutlich einfacher als in engen Innenstädten. Zudem werden die kulturellen und gesellschaftlichen Angebote, die einen wesentlichen Teil der Attraktivität von Städten ausmacht, wohl längere Zeit nicht zur Verfügung stehen.
All dies dürfte dazu führen, dass sich die Preisentwicklung innerhalb Deutschlands in diesem Jahr angleichen wird. Das Auseinanderdriften der Immobilienpreise zwischen den Metropolen und den übrigen Regionen wird vorerst gebremst. Die Preise in München, Stuttgart, Frankfurt könnten sich – wie in der Finanzkrise – dem deutschen Durchschnitt sogar wieder etwas annähern.
Deutschland wird für Zuwanderer attraktiv
Allerdings dürfte diese Entwicklung nur von kurzer Dauer sein – auch dies ist eine Erkenntnis aus der Finanz- und Wirtschaftskrise. Denn ähnlich wie damals könnte sich auch die aktuelle Krise in Deutschland weniger stark auswirken als in anderen Staaten. Obwohl die Shutdown-Maßnahmen bislang weniger drastisch sind als beispielsweise in Italien, Spanien und Frankreich, kann das deutsche Gesundheitssystem die Herausforderungen momentan bewältigen. Zugleich erlaubt die deutlich niedrigere Verschuldung größere staatliche Hilfen, insbesondere durch eine massive Nutzung der Kurzarbeit. Auf die Arbeitslosigkeit in Deutschland hat sich die Krise dadurch – zumindest bis jetzt – kaum ausgewirkt.
Konjunkturforscher erwarten aus diesen Gründen sowohl kurz- als auch mittelfristig hierzulande eine bessere konjunkturelle Entwicklung als in anderen großen europäischen Ländern. Dadurch würde Deutschland als Wohn- und Arbeitsort sogar noch attraktiver, wenn die Krise überstanden ist. Seit 2010 – also seit der Finanzkrise – hat Deutschland durchgehend einen positiven Wanderungssaldo – nicht nur durch Geflüchtete: Mehr Menschen wandern nach Deutschland ein als Deutschland verlassen. Wenn Deutschland die Corona-Pandemie besser übersteht als andere Länder, könnte der Wanderungssaldo mittelfristig weiter zunehmen. Die Wohnungsnachfrage dürfte dadurch wieder steigen – vor allem in den attraktiven Regionen. Die Pandemie wird deshalb wohl zu einer kurzfristigen Atempause bei den Immobilienpreisen führen. Eine dauerhafte Kehrtwende ist nicht zu erwarten.
Quelle: Focus