Statt populistischer Forderungen nach Enteignung von Wohnungskonzernen sollte die Politik über die Abschaffung von Steuerprivilegien für vermietete Immobilien nachdenken. Dafür sprechen sich Steuerexperten aus. Fehlanreize für Investoren und Preisexplosionen könnten so aus der Welt geschafft werden.
Die geltenden Steuerregeln begünstigten die Anhäufung von Grundvermögen in den Händen weniger Privateigentümer und Unternehmen, schreiben Dr. Dr. hc. Clemens Fuest, Präsident des Ifo Instituts und Direktor des Center for Economic Studies, Prof. Dr. Johanna Hey, Steuerrechtlerin an Universität Köln, und der Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Christoph Spengel von der Universität Mannheim in einem gemeinsamen Aufsatz für den Ifo-Schnelldienst. Darin sprechen sich die Steuerexperten dafür aus, vermietete Immobilien nicht zu enteignen, sondern ihre Steuerprivilegien abzuschaffen.
Es gebe zum einen Fehlanreize für Investoren, zum anderen eine unfaire Verteilung der Steuerlast. Auch die hohen Immobilienpreise seien teilweise auf das Steuerrecht zurückzuführen. Vergleichsweise geringe Korrekturen bei der Einkommensteuer, der Gewerbesteuer, der Erbschaftsteuer und der Grunderwerbsteuer könnten diese Probleme beheben, ohne die wirtschaftliche Entwicklung zu belasten. So lautet die These.
Steuerexperten: Verkaufsgewinne voll besteuern
Der Gesetzgeber könnte etwa bei der Einkommensteuer Veräußerungsgewinne auch außerhalb der geltenden Zehnjahresfrist besteuern, die Gewerbesteuerbefreiung bei Immobilien-Aktiengesellschaften (Immobilien-AG) abschaffen und die Grunderwerbsteuer zu reformieren, sagt Hey, die das Institut für Steuerrecht an der Universität Köln seit 2006 leitet. Zudem ließe sich auf diese Weise systemkonform zusätzliches Steueraufkommen erwirtschaften.
„Bei vermieteten Immobilien gehört die Doppelbegünstigung aus unbegrenztem Werbungskostenabzug und Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinnes zu den letzten verbliebenen großen Steuervergünstigungen des Einkommensteuerrechts“, ergänzt Spengel. Sie sollten voll besteuert werden.
Es sei zwar richtig, dass die steuerlichen Privilegien mehr Kapital in den Immobiliensektor lenken und dadurch möglicherweise einen Beitrag leisten, die Knappheit an Wohnraum abzumildern, so die Autoren, der Schattenseite der Steueranreize werde aber zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt: ein Anheizen der Preissteigerungen und eine sozial problematische Begünstigung einzelner Käufergruppen.
Erbschaftsteuer: große Wohnungsbestände begünstigt
Gewinne bei Immobiliengesellschaften unterliegen auch nicht zwingend der Gewerbesteuer, wenn diese ausschließlich auf die Verwaltung und Betreuung eigenen Grundbesitzes einschließlich der Gewinne aus deren Verkauf entfallen, schreiben die Autoren weiter. Eine Immobilien-AG könne Mieteinkünfte und Verkaufsgewinne einnehmen, ohne Gewerbesteuer zu bezahlen – es falle nur Körperschaftsteuer in Höhe von 15 Prozent an.
Auch bei der Erbschaftsteuer sind große Wohnungsbestände begünstigt, wenn für deren Verwaltung ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb notwendig wird. Davon geht die Finanzverwaltung bei mehr als 300 Wohnungen aus. „Diese Privilegierung ist durch nichts gerechtfertigt. Die Praxis der Finanzverwaltung ist augenfällig gleichheitssatzwidrig, weil hier nur besonders große Vermögen in den Genuss der Vergünstigung kommen“, kritisieren die Autoren.
Der Gesetzgeber könnte also daran denken, eine Wertzuwachsbesteuerung bei der Einkommensteuer vorzusehen, die Gewerbesteuerbefreiung bei Immobilien-AGs abzuschaffen – und schließlich: die Grunderwerbsteuer zu reformieren.
Grunderwerbsteuer: Die Krux mit den Share Deals
Die Steuerexperten kritisieren auch, dass Konzerne vielfach Immobilien grunderwerbsteuerfrei kaufen und verkaufen können. Die Grunderwerbsteuer lässt sich auf legale Weise umgehen, wenn Käufer Immobilien nicht direkt kaufen, sondern Anteile an Kapitalgesellschaften (Share Deals), denen die Immobilien gehören. Daran ändere auch der Ersatztatbestand des § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) nichts, wonach der Erwerb von Kapitalgesellschaftsanteilen Grunderwerbsteuer auslöst, wenn mindestens 90 Prozent der Anteile erworben werden. Dadurch würden Share Deals nicht verhindert, sondern lediglich erschwert.
Die Grunderwerbsteuer macht je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises aus. Die in den vergangenen 20 Jahren permanent angestiegene Grunderwerbsteuerlast sei mittlerweile ein massives Hindernis für die private Immobilieneigentumsbildung, so die Autoren.
Sie empfehlen eine Abkehr vom Konzept der Rechtsverkehrsteuer. Der Blick müsse auf das in den übertragenen Anteilen vorhandene Vermögen gerichtet werden. Handelt es sich um Immobilien, die für private Wohnzwecke oder eine fremdbetriebliche Tätigkeit zur Nutzung überlassen werden, sei der Wert der übertragenen Kapitalgesellschaftsanteile quotal der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen. Befinden sich im Betriebsvermögen der übertragenen Anteile ausschließlich solche Immobilien, müsse die volle Grunderwerbsteuer anfallen.
Immobilienexperten: Faire, weniger marktverzerrende Steuer
In Teilen einen ähnlichen Ansatz verfolgen die Wissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Kühling, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Immobilienrecht, Infrastrukturrecht und Informationsrecht (Universität Regensburg), Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der Irebs International Real Estate Business School der Universität Regensburg, und der Volkswirt Prof. Dr. Sebastian Siegloch (Universität Mannheim), der zudem den Forschungsbereich „Soziale Sicherung und Verteilung“ am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung leitet.
Sie fordern von der Politik im ersten Schritt die Angleichung der Bestandswohnungsmieten auf das Niveau der Marktmiete durch eine Reform der ortsüblichen Vergleichsmiete, weil das im zweiten Schritt Raum schaffen würde für eine stärkere Besteuerung der Vermieter, was wiederum das Steueraufkommen für die passgenaue Förderung auch von Haushalten mit mittleren Einkommen ermöglichen könnte. So lautet die Kernthese. Das Ziel: Bezhalbaren Wohnraum für alle garantieren.
Ökonomisch seien die derzeitigen Wirkungen existierender Mietpreisbegrenzungen mit einer Steuer vergleichbar, schreiben die Experten, das Ausmaß dieser steuerlichen Belastung der Vermieter sei jedoch weitgehend zufällig und wirke marktverzerrend. Ideal wäre daher eine Bemessung am Gewinn, das heißt ein Zuschlag zur Einkommensteuer und die Zusatzbesteuerung einer temporären Überrendite. Die zusätzlichen Steuereinnahmen könnten zur Teilfinanzierung der Unterstützung bedürftiger Mieter verwendet werden.
Quelle: Haufe Online Redaktion