Im Durchschnitt ist der Kauf in Deutschland erheblich günstiger als das Mieten – selbst in Großstädten. Wieso die Eigentümerquote trotzdem nicht steigt.
Die Auswirkungen der Coronakrise auf den Immobilienmarkt verfolgen potenzielle Hauskäufer wie Anleger gebannt. Im Zentrum steht eine große Frage: Sinken nach Jahren des Booms die Immobilienpreise?
Dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ist der Blick auf die Preise allein nicht genug. Bereits zum fünften Mal hat das Forschungsinstitut die sogenannten Wohnkosten beim Eigentumserwerb mit den Mietkosten verglichen – und dabei angesichts der Diskussionen um Preisübertreibungen in den vergangenen Jahren erneut überraschende Ergebnisse zutage gefördert: In 393 von 401 deutschen Landkreisen lohne sich Kaufen heute mehr als Wohnen. „Wer umzieht, für den ist es eher attraktiv, in Wohneigentum zu investieren, als zur Miete zu wohnen“, sagt Michael Voigtländer, Immobilienökonom vom IW.
Gegenübergestellt wurden in der Studie, die wie schon in den vergangenen Jahren vom Wohnungshändler Accentro in Auftrag gegeben wurde, die Kosten eines Kaufs und die einer Neuvermietung.
Zugrunde gelegt wurden als Kaufpreise Transaktionsdaten aus der Datenbank von vdp Research. In die Berechnung der Wohnnutzerkosten flossen die Kaufnebenkosten ebenso ein wie Abschreibungen, Kosten für Instandhaltungsmaßnahmen und künftig erwartete Preissteigerungen. Nicht berücksichtigt wurde die Tilgung des Darlehens, da sie Vermögensbildung darstellt.
Ergebnis: Im Durchschnitt ist der Kauf in Deutschland zu 48,5 Prozent günstiger als das Mieten. Auch in den Großstädten, wo die Preise in den vergangenen Jahren stark stiegen, lohne sich Kaufen immer noch gegenüber dem Mieten. In Köln liegt der Vorteil laut der Studie bei 58 Prozent.
Am unteren Ende der Top-7-Standorte liegt Berlin mit 35 Prozent. Das überrascht angesichts der Tatsache, dass die Kaufpreise in Köln und Berlin nach Daten von vdp Research seit 2010 um 72 beziehungsweise 128 Prozent gestiegen sind.
Die Neuvertragsmieten legten im gleichen Zeitraum in Köln um 54 Prozent, in Berlin um 85 Prozent zu. Dass sich Kaufen dennoch mehr lohne, liege vor allem an der Zinsentwicklung, heißt es. „Die deutlichen Zinssenkungen in den vergangenen Jahren wurden nicht in gleicher Weise von steigenden Preisen nachvollzogen“, sagt Voigtländer.
2010 lag der Zins für eine Baufinanzierung mit zehnjähriger Zinsbindung im Schnitt noch bei rund vier Prozent. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 1,5 Prozent. Anfang dieses Jahres fielen die Zinsen sogar unter ein Prozent.
Zwar verteuerten sich die Konditionen in der Coronakrise wieder leicht. So manches Angebot lässt aber erahnen, dass dies keine Trendwende sein muss: Die Förde Sparkasse aus Schleswig-Holstein etwa verlangt auf Immobiliendarlehen bis 50.000 Euro aktuell keine Sollzinsen mehr, wie zuerst das Portal Finanz-Szene berichtet hat. Nur Gebühren sorgen dafür, dass es die Finanzierung nicht ganz umsonst gibt.
Voigtländer rechnet aufseiten der Finanzierung mit anhaltend guten Bedingungen. Die Europäische Zentralbank werde alles dafür tun, dass sich die Finanzierung der Staaten in der Krise – also die zu zahlenden Zinsen auf Staatsanleihen – nicht verteuert.
Geringe Zinsbewegung erwartet
Da sich die Konditionen für Baugeld an der Rendite der Staatsanleihen orientieren, dürfte die Immobilienfinanzierung günstig bleiben. Eine Umfrage der Finanzierungsplattform Interhyp unter Kreditinstituten kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Banken rechnen mit einer Seitwärtsbewegung bei den Zinsen.
Doch was heißt das in einem Marktumfeld, das wegen der Krise unter großer Unsicherheit leidet? Laut der IW-Studie ergeben sich unterschiedliche Risiken in den einzelnen Regionen in Deutschland. Gerade im Süden Deutschlands scheinen „die Risiken für Anpassungen in den Preisen für Wohnimmobilien sehr hoch“. Hier könnte zunächst eine Revision der Erwartungen notwendig sein, heißt es in der Studie.
Gibt es also doch eine Gefahr für Preiseinbrüche? So weit will Voigtländer vom IW nicht gehen. „Wir rechnen in diesem Jahr eher mit einer roten Null“, sagt der Immobilienökonom. Investoren rät er zur Vorsicht. Er würde genauer hinschauen, ob sich im Kaufpreis eingerechnete Mietpreiserwartungen tatsächlich erfüllen.
Infolge der Krise könnte es zu strukturellen Verschiebungen kommen, mit denen vielleicht der „ein oder andere Automobilstandort ein Problem hat“. Genau diese Verschiebungen finden sich nicht zuletzt in Süddeutschland. Potenzial erkennt Voigtländer hingegen noch im Berliner Umland, in Mittelthüringen und in Westsachsen.
Preiskorrekturen erwartet
Zur Zukunft des Wohnimmobilienmarktes gibt es gegensätzliche Signale. Einerseits berichten die beiden größten Wohnungsvermieter in Deutschland, Vonovia und Deutsche Wohnen, dass infolge der Coronakrise weniger als ein Prozent ihrer Mieter um Hilfe gebeten habe.
Andererseits sagen Studien fallende Immobilienwerte voraus. Empirica rechnet mit einem Rückgang von zehn Prozent, bei heftiger, anhaltender Krise sogar mit bis zu 25 Prozent. Einen derartigen Crash erklärt die IW-Studie für unwahrscheinlich. Allerdings rechnete das IW selbst vor wenigen Wochen noch mit einer Spannbreite der wirtschaftlichen Stagnation von bis zu minus zwölf Prozent.
Bislang lässt sich noch keine maßgebliche Veränderung feststellen. Laut dem Analyseinstitut F+B ist zwar die Zahl der Inserate von vor der Krise bis Anfang Mai um 15 Prozent zurückgegangen. Auswirkungen auf die Preise seien aber kaum messbar. In manchen Bundesländern wie Hessen stellte F+B zwar einen Rückgang der Angebotspreise um elf Prozent fest.
In Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Schleswig-Holstein wurden Wohnungen hingegen zu höheren Preisen angeboten. Ein ähnlich differenziertes Bild ergibt sich für die Großstädte: Während die Preise in Berlin (minus 1,7 Prozent) oder Düsseldorf (minus 4,8 Prozent) leicht fielen, kletterten sie in München über 10.000 Euro pro Quadratmeter (plus 12,4 Prozent).
Die Zahlen zeigen, wie unterschiedlich die Momentaufnahmen ausfallen. Da es sich um Angebotsdaten und keine endgültigen Preise handelt, sind sie zudem mit Vorsicht zu genießen.
Die zugleich günstigen Finanzierungsbedingungen nutzten offenbar die Kapitalanleger: Seit 2010 ist die Zahl der Vermieterhaushalte um zwei Prozentpunkte gestiegen, geht aus der Studie hervor.
Zwei Drittel aller Wohnungen werden von Privatpersonen vermietet. Markant stieg die Quote der Vermieter unter Großstädtern: Erzielten 2010 noch weniger als acht Prozent der Haushalte Einnahmen aus Vermietung, sind es heute knapp zehn Prozent.
Lars Schriewer, CEO von Accentro, sagt: „Wohneigentum ist und bleibt die beste Form der privaten Altersvorsorge.“ Dass der Wohnungsmarkt nicht nur aus der Finanzkrise als Gewinner hervorging, sondern auch heute wieder profitieren könnte, habe er an deutlich zunehmenden Anfragen für seine Wohnungen in den vergangenen zwei Monaten festgestellt.
Das klingt überraschend, denn Accentro hat erst vor einer Woche erklärt, in diesem Jahr keine Dividende zu zahlen. Schriewer erläutert aber, diese Entscheidung habe nichts mit der Nachfrage zu tun. Es handele sich um eine strategische Entscheidung, das Geld solle für mehr Wachstum eingesetzt werden.
Nebenkosten als Hindernis
Ob die Wohnungen künftig stärker an Selbstnutzer als an Kapitalanleger gehen, ist fraglich. Die Eigentümerquote in Deutschland stagniert seit Jahren um 45 Prozent. In den vergangenen Jahren fiel zudem die Zahl der Ersterwerber.
Der Grund: „Vielen Haushalten fehlt es am Startkapital“, sagt Voigtländer. Gerade die hohen Nebenkosten stellen ein Hindernis dar. Die Summe aus Maklercourtage, Grunderwerbsteuer, Notar und Grundbucheintrag verschlingt schnell zehn bis 15 Prozent des Kaufpreises.
Da die Kaufpreise in den vergangenen Jahren deutlich stiegen, kletterten die Summen der Nebenkosten ohnehin schon. Die allerdings finanzieren die Banken nicht. Und in Zeiten von Null- und Niedrigzinsen wird es immer schwieriger, Kapital anzusparen. Wer es am Aktienmarkt versucht hat, musste spätestens mit Ausbruch der Corona-Pandemie erfahren, dass es bei den Kursen nicht immer nur bergauf, sondern auch einmal scharf bergab gehen kann. Auch diese jüngste Entwicklung war für die Eigenkapitalbildung alles andere als förderlich.
Um mehr Haushalten den Zugang zum Immobilienmarkt zu ermöglichen, fordert Voigtländer eine Reform der Nebenkosten. Dass sich künftig Käufer und Verkäufer die Maklercourtage teilen sollen, sei ein Anfang.
In manchen Bundesländern mussten Käufer bislang eine Courtage bis zu 7,14 Prozent allein zahlen. Die Änderung in diesem Punkt reiche aber nicht. Voigtländer fordert auch eine Reform der Grunderwerbsteuer, die je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent liegt.
Gut vorstellen kann sich der Immobilienökonom außerdem Nachrangdarlehen des Staates an Haushalte. Dieses Geld könnten sie dann wiederum bei der Finanzierung als Eigenkapital einbringen.
Quelle: Handelsblatt