400.000 neue Wohnungen im Jahr – das hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt. Doch sie erreicht es 2024 voraussichtlich nicht einmal zur Hälfte. Die erteilten Genehmigungen brechen bereits seit Monaten ein.
Die Aussichten für den deutschen Wohnungsbau sind extrem düster. Im Mai sank die Zahl der Baugenehmigungen stark um 25,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 23.500 Wohnungen, teilte das Statistische Bundesamt mit. Die Zahl sinkt damit seit einem Jahr kontinuierlich. Zudem erwarten Wirtschaftsforscher einen noch stärkeren Einbruch: Die Zahl neu fertiggestellter Wohneinheiten in Mehr- und Einfamilienhäusern dürfte bis auf 177.000 sinken, wie aus einer Untersuchung des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hervorgeht.
Im laufenden Jahr dürften es der Studie zufolge im schlechtesten Fall 223.000 Wohnungen sein, 2022 waren es noch 295.000 gewesen. Damit könnte 2024 fast wieder der historische Tiefststand von 2009 erreicht werden. Das von der Bundesregierung angestrebte Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen würde deutlich verfehlt. Der mögliche Einbruch bei den Fertigstellungen entspricht den Berechnungen zufolge einem Rückgang der realen Wohnungsbauinvestitionen um knapp 21 Milliarden Euro in diesem und von gut 16 Milliarden Euro im kommenden Jahr.
Um den absehbaren Einbruch der privaten Bauinvestitionen zumindest teilweise auszugleichen, plädieren die Forscher für eine spürbare weitere Aufstockung der öffentlichen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau. »Damit könnte nicht nur ein Absturz der Baubranche verhindert, sondern auch der Anteil günstigerer und energieeffizienter Wohnungen gesteigert werden«, so die Studie. Diese würden von privaten Bauträgern angesichts zu hoher Bau- und Finanzierungskosten zu selten gebaut. Befürchtungen, ein verstärktes Engagement der öffentlichen Hand treibe die Baupreise nach oben und indirekt auch die Inflation, halten die IMK-Fachleute für überzogen.
Hohe Baukosten, hohe Zinsen
Konkret könne nach Analysen des IMK insbesondere eine Aufstockung und Ausweitung von existierenden Programmen der staatlichen Förderbank KfW für den sozialen Wohnungsbau helfen, die durch steigende Zinsen verursachten Kosten abzufedern und so Bauprojekte zu ermöglichen. Eine weitere Option bestehe in der Erbpacht. Mittelfristig sinnvoll sei der Aufbau neuer öffentlicher Einrichtungen, die den Bau bezahlbaren Wohnraums fördern – etwa ein Bodenfonds, der die Kommunen dabei unterstützen könne, das öffentliche Eigentum an Grund und Boden auszuweiten. Zudem könne ein Beteiligungsfonds als Minderheitsgesellschafter die Eigenkapitalbasis der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften stärken.
Immerhin nimmt das Tempo mittlerweile etwas ab, mit dem die Baugenehmigungen zurückgehen: Im April hatte es mit 31,9 Prozent den stärksten Einbruch seit mehr als 17 Jahren gegeben, im März fiel der Rückgang mit 29,6 Prozent ähnlich hoch aus. »Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin vor allem steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben«, teilten die amtlichen Statistiker mit. Nach acht Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in Folge auf aktuell 4,00 Prozent haben sich Baukredite spürbar verteuert.
Von Januar bis Mai wurden insgesamt 113.400 Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt, das waren 27 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In den Zahlen sind sowohl die Zusagen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten. Die Zahl der Bauzusagen für Einfamilienhäuser brach in den ersten fünf Monaten um 35,1 Prozent auf 22.600 überdurchschnittlich stark ein. Bei den Zweifamilienhäusern gab es einen noch größeren Rückgang von 53,5 Prozent auf 6500. »Auch bei der zahlenmäßig stärksten Gebäudeart, den Mehrfamilienhäusern, verringerte sich die Zahl der genehmigten Wohnungen deutlich«, betonten die Statistiker. Hier gab es ein Minus von 26,5 Prozent auf 61.200.
Quelle: SPIEGEL Wirtschaft