Die Berliner Humboldt-Universität hat im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung die drei wichtigsten wohnungspolitischen Instrumente untersucht.
Ihr Ergebnis: Die Programme seien „nur sehr begrenzt hilfreich, die sozialen Versorgungslücken für Haushalte mit geringem Einkommen zu schließen“.
Für Hermann Schwabe, Direktor des statistischen „Bureaus auf Daten“ in Berlin, war schon 1868 klar: „Je ärmer Jemand ist, einen desto größeren Theil seines Einkommens muss er für die Wohnung verausgaben.“ Das später nach ihm benannte „Schwabesche Gesetz“ gilt immer noch für viele Mieter: Vier von zehn Haushalten oder 8,6 Millionen Einwohner müssen in deutschen Großstädten 30 Prozent oder mehr ihres Nettoeinkommens für Miete und Nebenkosten ausgeben. Dabei gelten die 30 Prozent als Schmerzgrenze, weil dann für Essen, Kleidung, Freizeit oder Urlaub zu wenig übrig bleibt.
Wie aber lässt sich Wohnen bezahlbarer machen? Bringen Wohngeld, sozialer Wohnungsbau und Mietpreisbremse überhaupt irgendetwas? Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität haben im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die drei wichtigsten wohnungspolitischen Instrumente untersucht. Ihr Ergebnis ist ernüchternd: Die Programme seien „nur sehr begrenzt hilfreich, die sozialen Versorgungslücken für Haushalte mit geringem Einkommen zu schließen“, heißt es in ihrer Studie.
Für die Ärmsten der Armen sind selbst Mieten im geförderten Wohnungsbau oft zu teuer
Die Untersuchung liefert neuen Diskussionsstoff für den Wohn-Gipfel am Freitag im Bundeskanzleramt, zum Beispiel beim Thema sozialer Wohnungsbau. Hier passiert nach Einschätzung der Forscher viel zu wenig, obwohl 2017 die Zahl der fertiggestellten Sozialwohnungen auf 27 000 gestiegen ist.
Der Hauptgrund: Bundesweit fallen im Durchschnitt Jahr für Jahr 90 000 Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung heraus, meist nach 20 Jahren. Mit den geförderten Neubauten ließe sich deshalb nicht einmal ein Drittel der Abgänge ausgleichen.
Besonders groß sei die Misere in den Metropolen: In den zehn größten deutschen Städten hätten 2014 knapp 900 000 Wohnungen für niedrige Einkommen gefehlt – bei knapp 5000 geförderten, neu gebauten Sozialwohnungen. Die Forscher rechnen vor: Um bundesweit zumindest den Bestand von 2014 zu erhalten, müssten pro Jahr knapp 70 000 Sozialwohnungen errichtet werden.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Für die ärmsten der einkommensschwachen Haushalte seien selbst „die Mieten im geförderten Wohnungsbau überwiegend zu teuer“, schreiben die Stadtsoziologen Andrej Holm, Stephan Junker und Kevin Neitzel. Ihr Fazit: Der Ausbau des geförderten Wohnungsbaus sei wichtig, aber für die Lösung der Versorgungslücken in den Städten habe er nur „ein begrenztes Potenzial“.
Geringer Wohngeldbezug in den Großstädten
Nicht besser sieht es beim Wohngeld aus: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erhielten Ende 2017 knapp 600 000 Haushalte Wohngeld in Höhe von insgesamt 1,1 Milliarden Euro, im Durchschnitt etwa 150 Euro im Monat. Nach den Berechnungen der Forscher beziehen jedoch nur etwa 1,2 Prozent der Haushalte in den Großstädten den staatlichen Zuschuss, vor allem wegen der engen Obergrenzen bei Mieten und Einkommen.
Außerdem müssten Wohngeld-Empfänger im Mittel noch deutlich mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben. Ein anderes Problem nennt der Deutsche Landkreistag: Das Wohngeld wird nicht jährlich an die Teuerung angepasst. „Die Preise auf dem Wohnungsmarkt laufen damit dem Wohngeld davon“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Hans-Günter Henneke.
Rund 15 Milliarden Euro gibt der Staat hingegen aus, um für Hartz-IV-Empfänger die Wohnkosten zu übernehmen. Der Berliner Forscher Holm sieht das kritisch: „Das Geld fließt zum großen Teil an kommerziell agierende Vermieter.“ Diese hätten dadurch stets sichere Erträge unabhängig von der Nachfrage und der Lage am Markt. „Sinnvoller wäre eine verstärkte öffentliche Investition in den Aufbau von dauerhaft leistbaren Wohnungsbeständen.“
Bleibt als drittes Instrument die Mietpreisbremse. Demnach dürfen Eigentümer bei Wiedervermietungen höchstens zehn Prozent mehr verlangen als die ortsübliche Vergleichsmiete. Die Bremse wirkt laut der Studie aber nur, wenn sie – anders als jetzt üblich – wirklich konsequent angewandt und kontrolliert werden würde.
Dann müssten die Vermieter gerade in Städten mit großer Wohnungsnot und rasant steigenden Mieten wie München oder Berlin ihre Aufschläge bei Einzug eines neuen Mieters um bis zu 30 Prozent verringern. Profitieren würden davon vor allem Haushalte mit durchschnittlichen und überdurchschnittlichen Einkommen. Auf Haushalte mit geringem Einkommen habe die Bremse „keinen Einfluss“.
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell fordert deshalb höhere staatliche Investitionen, „um jährlich mindestens 100 000 preis- und belegungsgebundene Wohnungen zu bauen“. Nötig seien insgesamt 400 000 Wohnungen pro Jahr. Dies sei „nur zu schaffen, wenn Baugrund nicht länger als Spekulationsobjekt betrachtet und zu Höchstpreisen gehandelt wird“. Zudem müsse die kommunale Bauverwaltung Personal aufstocken, „damit bezahlbare Wohnungen schneller genehmigt und auch gebaut werden können“.
Quelle: Süddeutsche Zeitung