Steigende Preise und Mieten, weniger Zwangsversteigerungen – bisher erfüllen Immobilien in der Corona-Krise ihren krisensicheren Ruf. Doch Experten warnen: Sinkende Einkommen könnten die Finanzierungen gefährden.
Noch hat die Corona-Pandemie den Immobilienmarkt im Gegensatz zu vielen anderen Branchen kaum belastet. Trotz Millionen Menschen in Kurzarbeit, sinkenden Einkommen und höherer Arbeitslosigkeit ist von einem Einbruch der Immobilienpreise nichts zu sehen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind die Preise für Wohnimmobilien in den ersten drei Monaten des Jahres sogar um 6,8 Prozent im Vorjahresvergleich nach oben geklettert. Auch im zweiten Quartal legten die Preise um etwa sechs Prozent zu, wie eine Analyse des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) ergab. „Der Immobilienmarkt zeigt sich auch in der Krise bislang weiterhin recht robust“, sagte Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt in der vergangenen Woche.
Laut einer Analyse des Online-Portals Immowelt verteuerten sich etwa Eigentumswohnungen im ersten Halbjahr 2020 um bis zu einem Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Am stärksten zogen demnach die Kaufpreise von Neubauten an.
Zwar müssen viele deutsche Wohnungskonzerne während der Krise auf Kündigungen infolge von Zahlungsschwierigkeiten sowie auf Mieterhöhungen verzichten. Trotzdem treffen sie die Folgen kaum – eher im Gegenteil.
Konzerne mit starken Zahlen
Der größte deutsche Immobilienkonzern Vonovia konnte seine Gewinne in den ersten sechs Monaten sogar weiter steigern. Neben den Mieteinnahmen stieg auch der Group FFO – die wichtigste Ergebniszahl von Immobilienfirmen – um satte elf Prozent auf 676,3 Millionen Euro.
Die im Dax notierte Aktie erreichte im August gar ein neues Rekordhoch. So rauschte das Papier seit dem Börsencrash im März um über 50 Prozent in die Höhe.
Auch die Vertragsmieten des zweiten Dax-Konzerns aus dem Immobiliensektor, Deutsche Wohnen, legten im ersten Halbjahr um 2,6 Prozent auf 421,8 Millionen Euro zu. Ende Juni betrugen die Mieten im Schnitt 6,93 Euro je Quadratmeter und damit 2,6 Prozent als ein Jahr zuvor. Kein anderer Dax-Wert verzeichnete in den vergangenen Monaten einen höheren Kursgewinn.
Niedrigzinsphase befeuert Nachfrage
Zudem gab es auch weniger Zwangsversteigerungen in Deutschland. Die Zahl sei im ersten Halbjahr 2020 von 9.432 auf 7.364 Immobilien zurückgegangen, ermittelte der Wirtschaftsinformationsdienst Argetra. Dabei werden Häuser oder Wohnungen, deren Eigentümer ihre Kreditraten nicht mehr zahlen können, in einer öffentlichen Sitzung des jeweiligen Amtsgerichts versteigert.
Bisher konnte der Immobilienmarkt also der Krise trotzen. Denn zum einen kommen wirtschaftliche Entwicklungen meist erst später bei den Immobilienpreisen an. Zudem sind nicht alle Jobs von der Pandemie betroffen, einige Einkommen haben sich kaum oder gar nicht verändert. Somit werden weiter teure Immobilien verkauft, die den Durchschnittspreis anheben.
Zudem sind Immobilien weiter eine interessante Anlagemöglichkeit. Die anhaltend niedrigen Zinsen und der Vertrauensverlust in Aktien durch Unternehmen wie Wirecard stärkten die Nachfrage nach Immobilien weiter, erklärt Argetra-Chef Axel Mohr gegenüber boerse.ARD.de.
Platzen massenhaft Finanzierungen?
Aber: „Aktuell werden viele Kredite gestundet. Die Insolvenzwelle wird anrollen und viele Kleinunternehmer werden betroffen sein. Dadurch werden Immobilienkredite nicht mehr bedient werden können“, so der ehemalige Banker. Durch Jobverluste beispielsweise in der Autoindustrie und massenhaft Kurzarbeit sinke das Einkommensniveau. Schließlich seien die Kreditraten hoch dotierter Objekte schwerer zu bedienen.
Mohrs Prognose nach werde dadurch die Zahl der Zwangsversteigerungen im kommenden Jahr um mindestens 20 Prozent steigen. Durch die Stundungen und der Notwendigkeit der Banken, nach einer Kreditkündigung ein halbes Jahr bis zur Einleitung der Versteigerung zu warten, sei der Prozess lediglich zeitlich nach hinten verschoben.
Doch was passiert dann auf dem Immobilienmarkt? „In der Regel werden Banken vorsichtiger, wenn die Zwangsversteigerungszahlen wieder steigen. Häufig werden in solchen Zeiten die Eigenkapitalanforderungen erhöht oder die Beleihungsgrenzen nach unten angepasst“, sagt der Experte für Zwangsversteigerungen. Da Eigenkapital heute nicht zinsbringend vermehrt werden könne, stehe es nur begrenzt zur Verfügung. Das müsse zu fallenden Preisen führen, damit die Anbieter von Immobilien auf Nachfrage treffen.
„Liquidität ist weiter da“
Auch Thomas Beyerle, Chefanalyst bei der Immobilienberatungsgesellschaft Catella, geht von einem Anstieg der Zwangsversteigerungen im kommenden Jahr aus. Das bedeute allerdings keine Schnäppchen. Lediglich das Angebot an Immobilien werde größer. Da die Nachfrage nach wie vor hoch sei, werden die Preise seiner Meinung nach nicht sinken.
„Die Liquidität im Markt ist weiter da. Und Immobilien sind ein Substanzwert, der immer noch eine Rendite von zwei Prozent bringt“, betont der Experte. Hauskäufer würden ihre Projekte höchstens verschieben – solange sie Jobs haben, aber nicht beenden. Kurzarbeiter etwa würden versuchen, ihre Kreditlaufzeit bei Banken zu verlängern.
Die konjunkturelle Entwicklung werde man im Immobilienmarkt frühestens 2021 bemerken. Mit negativen Einschlägen rechne er nur punktuell: „Das Homeoffice ist natürlich eine Gefahr für Gewerbeimmobilien und Büroeinheiten.“ Auch Kaufhäuser könnten Probleme bekommen.
Wohnwirtschaftlich gehe die Urbanisierung aber weiter. Grundsätzlich sieht Beyerle noch keinen Grund, warum die Preise in der Niedrigzinsphase einbrechen sollten. Immobilien könnten also auch weiterhin ihrem Ruf als krisengerechte Anlage gerecht werden.
Quelle: tagesschau.de