Deutschlands Immobilienmärkte zeigen sich robust, wie eine Studie zeigt – doch Lockdowns und Social-Distancing-Maßnahmen haben komplexe Prozesse ausgelöst oder verstärkt. Trends wie Homeoffice oder die Digitalisierung des Einkaufens gewinnen an Dynamik. Das schlägt auch auf Immobilien durch.
Die deutschen Immobilienmärkte sind bislang noch ganz gut durch die Krise gekommen. Grund dafür sind die niedrigen Leerstände, mit denen die Märkte in die Krise gegangen sind, sowie die verhaltenen Neubautätigkeiten in den Jahren zuvor, heißt es in einer Studie, die im Rahmen der Publikationsserie „vdp Spotlight“ des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) veröffentlicht wurde. Die Beschränkungen, die zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie erlassen worden sind, könnten aus heutiger Sicht gut bewältigt werden.
„Für die weitere Immobilienmarktentwicklung liegt das Besondere der Covid-19-Krise in den strukturellen Veränderungen“, erklärte Dr. Franz Eilers, Leiter Immobilienmarktforschung der vdp Research GmbH und Autor der Studie. „Shutdown und Social-Distancing-Maßnahmen haben komplexe Prozesse ausgelöst oder verstärkt.“ Konkret nannte Eilers Trends wie Homeoffice und die Digitalisierung des Einkaufens, die im Zuge der Krise an Dynamik gewonnen haben. Damit verbunden sei eine Neuorientierung auf den Wohnungs-, Büro- und Einzelhandelsmärkten. Einzelne Indikatoren können demnach schon jetzt auf die weiteren Entwicklung hinweisen.
Wohnimmobilien bleiben eine attraktive Anlageform
Auf dem Wohnungsmarkt sind trotz Pandemie weder die Mieten noch die Preise eingebrochen. Im Gegenteil: Die Preise für Eigenheime, Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser sind laut vdp Research unter Berufung auf die Zahlen aus dem aktuellen vdp-Preisindex in den ersten drei Quartalen 2020 stärker gestiegen als in den ersten neun Monaten 2019. Nur die Wachstumsrate der Neuvertragsmieten fielen leicht zurück. „Das spricht dafür, dass sich die Wohnungsmärkte weitgehend der Covid-19-Krise entziehen konnten“, schreibt Eilers.
Die Nachfrage nach Wohnraum zur Miete als auch nach Wohneigentum für die Eigennutzung und als Anlage wird auch weiterhin hoch sein. Das liegt dem „Vdp-Spotlight“ zufolge grob gesagt darin begründet, dass die Bedeutung der eigenen vier Wände durch Covid-19 zugenommen hat, auch größere Mietwohnungen sind gesucht, die Niedrigzinsphase anhält und die Renditeprämie von Wohnimmobilien gegenüber Staatsanleihen erneut gestiegen ist.
Büroimmobilien: Flächeneinsparung pro Kopf wird auf fünf bis 20 Prozent geschätzt
Vor der Corona-Krise war das Arbeiten aus dem Homeoffice kaum verbreitet. Einer jährlichen Umfrage von Eurostat zufolge arbeiteten 2019 in Deutschland 5,2 Prozent der Beschäftigten von zu Hause. Gegenüber 2018 und 2017 war der Trend schon leicht steigend mit fünf beziehungsweise 4,8 Prozent. Im März 2020 arbeitete jeder vierte Arbeitnehmer „ausschließlich im Homeoffice im bisherigen Umfang“. Dieser Anteil ging nach dem ersten Lockdown wieder zurück. Am 9. Juli waren nur noch fünf Prozent „ausschließlich im Homeoffice im bisherigen Umfang“, aber immerhin 23 Prozent „teils vor Ort, teils im Homeoffice“.
vdp Research geht zwar davon aus, dass in Zukunft mehr Arbeit dezentral stattfinden wird, unter anderem weil Arbeitgeber teure Büroflächen sparen können, zum „New Normal“ werde der Trend aber von heute auf morgen nicht werden, auch weil das Büro als Ort für Ideen, Wissen, Informationsaustausch und den persönlichen sozialen Kontakt noch eine zu große Rolle spiele. „Plausibel erscheint eine Mischform aus traditionellem Büro und Homeoffice“, schreibt Eilers. Welche Einsparungen an Büroflächen pro Kopf sich aus dem Trend ergeben, sei noch schwer zu quantifizieren: Schätzungen reichen von fünf bis 20 Prozent der Büroflächen.
Nach Ansicht der Experten werden die Flächeneinsparungen langfristig entweder gering ausfallen oder durch andere Entwicklungen weitgehend neutralisiert werden, etwa durch eine der fortschreitenden Tertiärisierung der Wirtschaft geschuldete Mehrnachfrage nach Büroflächen.
Einzelhandelsimmobilien: Flächenüberhang nimmt zu
Viele Einzelhändler leiden unter finanziellen Einbußen durch die Corona-bedingten Maßnahmen wie Lockdowns. Zusätzlich ist der stationäre Handel noch mehr als zuvor mit dem Onlinehandel konfrontiert ist, heißt es im „vdp-Spotlight“. Im September 2020 lag der nominale Umsatz im Onlinehandel um 21,5 Prozent über dem Umsatz im entsprechenden Vorjahresmonat, während der stationäre Einzelhandel über den gleichen Zeitraum nur auf ein Plus von 2,3 Prozent kam. Dass der Einzelhandel überhaupt wachsen konnte, liegt am starken Umsatzanstieg im Lebensmittelhandel.
Studienautor Eiler erwartet, dass die Umsatzveränderungen im stationären Einzelhandel früher oder später die Flächennachfrage verändern werden. Eigentümer von Einzelhandelsflächen bestimmter Marktsegmente müssten sich auf eine zunehmend schwache Nachfrage und höhere Leerstände einstellen. Schon heute besteht vielerorts ein erheblicher Flächenüberhang: Erhebungen von JLL zufolge, auf die sich vdp Research beruft, waren im dritten Quartal 2020 insgesamt 14 Prozent der Fläche sofort oder spätestens in eineinhalb Jahren verfügbar. Flächen in Einkaufsstraßen stehen besonders unter Druck.
Das wirkt sich nachhaltig auf die Neuvertragsmieten aus: Die sind in Deutschland insgesamt seit dem Jahresanfang um 1,3 Prozent gesunken – damit setzt sich die Negativentwicklung, die vdp Research bereits 2019 beobachtet hat, verstärkt fort. Ob sich die Toplagen dem werden entziehen können, sei noch unklar.
Quelle: Haufe.de