Die Lage am Immobilienmarkt wird in der Sommerumfrage für den ZIA-IW-Stimmungsindex über alle Assetklassen hinweg kritisch bewertet – bei den Projektentwicklern zeigt sich eine Rezession. Die Branche meint: „Diese Lage schreit nach einer Lockerung von staatlichen Fesseln.“
Die Sommerumfrage des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln unter Investoren und Projektentwicklern beschreibt im zweiten Quartal 2023 eine schwierige Marktlage, die sich durch alle Assetklassen zieht. Der Immobilienstimmungsindex (ISI) für das zweite Quartal 2023 rutscht insgesamt wieder ins Negative und erzielt einen Wert von minus 4,3 Punkten. Das entspricht einem Rückgang um 5,6 Punkte gegenüber dem Vorquartal.
Mit einem Gesamtwert von plus 4,7 Punkten (erstes Quartal 2023: plus 17,6 Punkte) wird für die aktuelle Geschäftslage der niedrigste Wert seit Beginn der ISI-Umfrage im Jahr 2014 gemessen. Die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate (minus 12,9 Punkte) haben sich in dieser Situation kaum verbessert (erstes Quartal 2023: minus 13,7 Punkte).
Die Immobilienbranche befindet sich damit weiter im Abschwung. Das ungünstige Marktumfeld mit hohen Zinsen und Baukosten belastet die Unternehmen immer stärker. Eine Trendwende ist laut ZIA und IW derzeit nicht in Sicht.
Alarmzeichen bei den Projektentwicklern
Die Projektentwickler befinden sich der Umfrage zufolge in einer tiefen Rezession: Die Geschäftslage wird im aktuellen ISI mit minus 19,6 Punkten (plus 6,1 Punkte gegenüber dem Vorquartal) immer noch deutlich negativ bewertet. Bei den Erwartungen gab es zuletzt noch vorsichtigen Optimismus, jetzt macht sich wieder Sorge breit bei einem Stand von minus 10,9 Punkten, was einem Rückgang um 28,8 Punkte gegenüber dem ersten Quartal 2023 entspricht.
Die pessimistischen Einschätzungen betreffen auch Vorverkäufe, Vorvermietungen und geplante Grundstückskäufe, heißt es in dem Bericht. Daran haben vor allem die steigenden Baukosten und ungünstige Finanzierungsbedingungen ihren Anteil. Aktuell erwartet die Mehrheit (72,1 Prozent) der Projektentwickler abnehmende Vorverkäufe in den kommenden zwölf Monaten.
Bei den Vorvermietungen sind die Erwartungen nicht viel besser: Auch wenn derzeit „nur“ die Hälfte (50 Prozent) der Entwickler von sinkenden Quoten ausgeht, ist das laut ZIA-IW-Index der höchste Wert seit Ende 2020. sie nun vor dem Hintergrund der niedrigen Nachfrage kaum noch durch weitere Zukäufe erweitern müssen. 52,2 Prozent der Unternehmen gehen von sinkenden Grundstückskäufen aus – das ist der zweitschlechteste ISI-Wert seit der Winterbefragung 2022 (58,7 Prozent).
Wohnen erholt sich leicht, Büro rutscht ab, Handel bricht ein
Im Wohnsegment verbessern sich zwar Lage (plus 5,1 Punkte) und Erwartungen (minus 8,9 Punkte) im ISI für das zweite Quartal 2023 leicht, damit befindet sich der Bereich aber weiter im Abschwung: Das Wohnklima insgesamt bleibt mit minus zwei Punkten negativ. Als Gründe nenne die Studienautoren etwa die hohen Kosten bei Bau, Modernisierung und Finanzierung.
Der Bürosektor verzeichnet bei der aktuellen Geschäftslage im Vergleich zum ersten Quartal 2023 den stärksten Einbruch aller Marktsegmente und sinkt deutlich um 35,5 Punkte auf nun plus sieben Punkte. Die Erwartungen steigen minimal, bleiben aber mit einem Wert von minus 8,8 negativ. Das sich aus Lage und Erwartungen berechnete Büroklima rutscht damit um 7,8 Punkte ins Negative (minus ein Punkt). Im Büromarkt steigt die Leerstandsquote dem Bericht zufolge an, die Nachfrage verschiebt sich zu zentral gelegenen, ESG-konformen und hochqualitativen Flächen.
Das Handelsklima stand bei der ISI-Frühjahrsbefragung erheblich besser da als in den Vorquartalen, nun trüben sich die Einschätzungen der interviewten Geschäftsführer allerdings wieder ein. Die Geschäftslage bricht gegenüber dem ersten Quartal 2023 um 20,4 Punkte auf plus 10,3 Punkte im zweiten Quartal 2023 ein – die Erwartungen sinken um 28,8 Punkte auf 17,2 Punkte beträchtlich. Das Handelsklima ist also mit minus 3,9 Punkten wieder negativ. Gründe seien der schwache private Konsum und Sorgen wegen der Inflation, heißt es.
ZIA ruft nach Lockerung von staatlichen Fesseln
„Die Lähmung beim Wohnungsbau ist bezeichnend für die Gesamtsituation, und wir haben noch längst nicht den Tiefpunkt erreicht: Diese Lage schreit nach einer Lockerung von staatlichen Fesseln“, warnte ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner bei Vorlage der Zahlen. Der Staat sei beim Wohnen für 37 Prozent der Kosten direkt – durch Steuern und Abgaben– und indirekt durch beengende Regulierung verantwortlich. Der ZIA fordert von den Ländern ein Absenken der Grunderwerbsteuer möglichst auf null für die Zeit bis Anfang 2025, um den Wohnungsbau entscheidend zu reaktivieren.
Grund für die schlechtere Stimmung in der aktuellen Umfrage ist laut IW-Experte Ralph Henger unter anderem die schwindende Hoffnung, dass noch im Sommer 2023 bei wichtigen Eckpunkten wieder Klarheit herrscht und die Nachfrage zurückkommt. „Ein Drittel der Befragten erwartet vor diesem Hintergrund, dass viele der genehmigten Vorhaben in den nächsten zwölf Monaten nicht umgesetzt werden. Wenn man bedenkt, dass letztes Jahr 350.000 Wohnungen genehmigt wurden, ist das ein sehr schlechtes Zeichen für den Neubau in Deutschland“, so Henger.
Der ZIA-IW-Immobilienstimmungsindex
Der Immobilienstimmungsindex (ISI) wird vom IW Köln seit 2020 vierteljährlich in Kooperation mit dem ZIA erstellt, um zeitnah Informationen über die Lage und die Erwartungen von Investoren und Projektentwicklern zu gewinnen und die Transparenz auf dem Immobilienmarkt zu verbessern. Angeschrieben werden Geschäftsführer und leitende Angestellten von zirka 1.200 Unternehmen.
Quelle: Haufe Online Redaktion