Manche Ökonomen hatten damit gerechnet, dass die Coronakrise die Immobilienpreise bremsen würde. Doch jüngste Zahlen zeigen deutliche Anstiege.
Wiesbaden. Die Coronakrise hat Immobilienkäufern keine Chance auf günstigere Preise verschafft. Im zweiten Quartal stiegen die Preise für Wohnungen und Häuser in Deutschland weiter. Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamt mussten Immobilienkäufer in den vergangenen Monaten 5,6 Prozent mehr als im Vorjahresquartal auf den Tisch legen. Im Vergleich zum ersten Quartal waren Wohnungen und Häuser 1,4 Prozent teurer.
Diese Zahlen sind zwar nur eine Schnellschätzung, die mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sei, warnten die Wiesbadener Statistiker. Doch eine große Überraschung sind die Zahlen nicht: Schließlich ging es schon zuletzt immer aufwärts. So hatten die Experten des Statistischen Bundesamtes zu Jahresbeginn ein Anziehen der Immobilienpreise im ersten Quartal von 6,8 Prozent binnen Jahresfrist und von 0,3 Prozent zum Schlussquartal 2019 vermeldet.
Kein Corona-Abschlag
Wer auf einen Corona-Abschlag hoffte, wurde also enttäuscht. „Es wäre denkbar gewesen, dass Immobilienbesitzer verkaufen müssen, weil sie in eine finanzielle Notlage gekommen sind – das war aber bislang nicht der Fall“, kommentiert Immobilienexperte Reiner Braun vom Analyseinstitut Empirica die Zahlen. „Mit großzügig gewährten Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld und Wohngeld hat die Bundesregierung größere Mietausfälle und Massenentlassungen verhindert. Es kam nicht zu Notverkäufen, die die Preise hätten drücken können“. Die große Frage sei nun, ob sich das ändere, wenn es es eine zweite Welle in der Coronakrise gebe.
Langfristig werden die Wohnimmobilienpreise nach Meinung von Experten wie Braun aber selbst nach einer möglichen Delle weiter anziehen. „Wir haben einfach zu wenige Wohnungen und zu wenig Bauland. Das spricht dafür, dass die Preise weiter steigen – zumal die Zinsen so niedrig bleiben“.
Ab in den Speckgürtel
Auf der Suche nach einer erschwinglichen Immobilie wandern deswegen immer mehr Deutsche aus den Großstädten ins Umland ab. Denn im so genannten Speckgürtel kann man tatsächlich günstigere Immobilien finden: Wer bereit ist, eine Stunde aus der Stadt hinauszuziehen, spart beim Hauskauf bis zu 52 Prozent, ergab eine kürzlich veröffentlichte Studie des Immobilienportals Immowelt.
Je näher an der Stadt man eine Immobilie sucht, desto geringer ist der Preisvorteil, nachdem die Nachfrage – und die Preise – dort in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind.
Dennoch sollte man beachten, dass bei vielen der Bestandsimmobilien im Umland Sanierungen notwendig sind, die auf den Kaufpreis aufgeschlagen werden müssen. Dazu kommt nach Beobachtung von Immowelt, dass gerade in den kleineren Ortschaften die Häuser häufig direkt an der Durchfahrtstraße liegen und damit nicht unbedingt der Wunschvorstellung von einem idyllischen Landleben entsprechen. Dennoch gebe es zahlreiche Objekte, die entweder neu gebaut oder kernsaniert sind und trotzdem deutlich günstiger als innerhalb der Stadtgrenze seien.
Corona dürfte Speckgürtel-Immobilien verteuern
Für die Studie hatte Immowelt die Preise von Einfamilienhäusern in acht ausgewählten Großstädten und deren Umland untersucht. Am größten ist die Ersparnis demnach im Umland von Frankfurt: Statt 695.000 Euro im Stadtgebiet kosten Häuser in der 60-Minuten-Zone im Mittel 337.000 Euro. Prozentual ist der Unterschied in Hamburg (49 Prozent) und Stuttgart (47 Prozent) am größten.
Auch in München sind die Preisunterschiede eklatant: Während in der Stadt Einfamilienhäuser im Median 1,19 Millionen Euro kosten, sind es bei einer einfachen Pendelstrecke von einer Stunde 649.000 Euro. Das ist eine Ersparnis von 45 Prozent oder umgerechnet von gut einer halben Million Euro. Dabei ist bemerkenswert, dass ein Haus in München im 60-Minuten-Umkreis noch immer teurer ist als eines direkt in Berlin, Hamburg oder Köln.
Bei Immowelt erwartet man, dass die Coronakrise und die zunehmende Einführung des Home-Office-Arbeitens das Interesse am Speckgürtel erhöhen wird. Vielen Familien eröffne es die Möglichkeit, weiter außerhalb der Städte zu wohnen. „Dadurch könnte sich künftig die Nachfrage mehr verteilen und sich die Preise wieder mehr angleichen“.
Datenbasis für die Berechnung der Kaufpreise waren auf dem Internetportal inserierte Angebote. Dabei wurden ausschließlich Angebote berücksichtigt, die vermehrt nachgefragt wurden. Die Preise geben den Median der im 2. Halbjahr 2019 und 1. Halbjahr 2020 sowie im Vorjahreszeitraum angebotenen Einfamilienhäuser wider.
Quelle: Handelsblatt