Bis 2050 will Deutschland klimaneutral sein. Der CO2-Ausstoß soll bis 2030 halbiert werden. Alleine, um alle Gebäude in Hessen nach diesen Zielvorgaben energetisch zu sanieren, sind laut einem Gutachten für die Wohnungswirtschaft mehrere Milliarden Euro an Investitionen – und Förderung – nötig.
Um den gesamten Wohnungsbestand in Hessen entsprechend den Klimazielen energetisch zu sanieren – warmmietenneutral, ohne eine Erhöhung der Miete –, würden in Hessen pro Jahr Kosten zwischen 539 Millionen und 1,23 Milliarden Euro entstehen, die finanziert werden müssten, sagte Dr. Axel Tausendpfund, Vorstand des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW Südwest). Er beruft sich auf ein aktuelles Gutachten, das der Verband bei Prof. Dr. Sven Bienert vom IREBS Institut für Immobilienwirtschaft (Universität Regensburg) in Auftrag gegeben hatte.
Klimaschutz hat seinen Preis: Spagat zwischen ökologischer und sozialer Verantwortung
Bei der Suche nach Lösungen müssten alle Akteure am Wohnungsmarkt und auch die Politik einbezogen werden, betonte Tausendpfund. Das Gutachten liefere erstmals eine verlässliche zahlenbasierte Grundlage für Diskussionen. Da weder Vermieter noch Mieter für die Kosten des Klimaschutzes alleine in die Pflicht genommen werden könnten, müsse der Bund über neue staatliche Förderprogramme nachdenken, damit die Klimaziele im Gebäudebestand sozialverträglich erreicht werden könnten.
Der Ausbau der Förderprogramme sei unerlässlich, heißt es in dem Gutachten. Selbst wenn man die bisherigen Förderungen auf Bundesebene in die Rechnung einbeziehe, bleibe in Hessen immer noch eine Lücke von 429 Millionen bis 1,12 Milliarden Euro pro Jahr. Bereits existierende Landesförderungen seien vor dem Hintergrund dieser Größenordnung nur marginal.
Bienert plädiert in seinem Gutachten für Förderprogramme, die praxisorientiert und bedarfsgerecht ausgestaltet sind. Dass sich die Investitionen lohnen, will er in dem Papier ebenso belegen: Die im Modell enthaltenen Maßnahmen des gesamten Wohnungsbestandes, für die die nötigen finanziellen Förderungen berechnet wurden, würden bis 2030 (gegenüber 2018) den Ausstoß jährlicher Kohlenstoffdioxid-Äquivalente um 2,6 Millionen Tonnen in Hessen reduzieren.
Gutachten zur „Herleitung der Förderungslücke zur Erreichung der Klimaziele auf Landesebene im Marktbereich des VdW Südwest“ (PDF)
Klima-Dilemma: Auch die Wohnungswirtschaft in Rheinland-Pfalz will mehr Förderung
Fließe nicht mehr staatliche Hilfe in die energetische Sanierung von Mietwohnhäusern, werden die Klimaziele der Regierung nicht erreicht, ohne die Mieter über Gebühr zu belasten, heißt es auch in einer IREBS-Studie von 2020, auf die sich im Februar 2021 der VdW Südwest für Rheinland-Pfalz bezog. Zusätzlich zu den Programmen der Europäischen Union (EU) und der Bundesregierung sei das Land in der Pflicht, weitere Fördermittel bereitzustellen, „damit wir gemeinsam die große Herausforderung CO2-neutrale Gebäude meistern können“, erklärte Tausendpfund damals.
Die bundesweit angelegte Studie war im Auftrag des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, des Deutschen Mieterbundes (DMB) und des Deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) vom IREBS-Experten Bienert erstellt worden, der zu dem Schluss kam, dass insgesamt in Deutschland mindestens sechs und bis zu 14 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung gestellt werden müssten, um den klimaneutralen Gebäudebestand voranzubringen. Er stellte einen Fehlbetrag zwischen 5,3 und 13,2 Milliarden Euro pro Jahr fest.
„Sowohl das Konjunkturprogramm der Bundesregierung als auch die europäischen Hilfen sollten vor allem als Klimaschutzprogramme gedacht werden“, kommentierte DV-Chef Michael Groschek die Ergebnisse der Studie. Die Förderung der energetischen Gebäudesanierung müsse dabei ein wichtiger Bestandteil sein.
Fehlende Fördermittel für den Klimaschutz – höhere Mietbelastungsquote in Deutschland
Wenn der Staat diese Mittel für die energetische Gebäudesanierung nicht zur Verfügung stelle, könnten die Klimaziele – den CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren – nicht warmmietenneutral erreicht werden, resümierten die Auftraggeber der Studie geschlossen. Die Folge: Die Vermieter müssten enorme Summen aus eigener Tasche in die Effizienzsteigerung der Wohnungen stecken und die dadurch bedingten Mietsteigerungen würden weit höher ausfallen als die Einsparungen auf Mieterseite.
„Aktuell sanieren wir uns insbesondere in den Metropolen systematisch den günstigen Wohnraum weg. Mit diesem Konflikt zwischen leistbaren Mieten und Klimazielen dürfen Vermieter und Mieter nicht einfach allein gelassen werden“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko.
Die Mietbelastung deutscher Mieter ist im internationalen Vergleich bereits hoch. Mehr als 15 Prozent der Haushalte hatten der IREBS-Studie zufolge (Stand 30.6.2020) einen Wohnkostenanteil von rund 40 Prozent in Relation zum Nettoeinkommen. Mieterhöhungen nach energetischen Sanierungen würden zu weiteren signifikanten Steigerungen der Mietbelastungsquoten führen, erklärte Wissenschaftler Bienert – nach Modellrechnungen könnte die Quote um mindestens sechs Prozentpunkte wachsen.
In den Berechnungen der Studie wurde wegen des vom Gebäudebereich für den Klimschutz geforderten großen Beitrags eine hohe Sanierungsrate von zwei Prozent auf KfW-55-Effizienzhausniveau gewählt, die im Einklang mit den Zielen der Bundesregierung steht. So könnte eine Absenkung der CO2-Emissionen von 13,5 Millionen Tonnen pro Jahr in diesem Bereich erreicht werden. Das Einsparungsniveau im Mietwohnungssektor würde damit bereits ausreichen, um erst einmal die Klimaziele 2030 zu erreichen. „Es macht aber auch ein extrem hohes Förderniveau notwendig“, forderte Bienert.
Quelle: Haufe Online Redaktion