Die Bundesregierung will den Wohnungsmarkt besser regulieren – dabei fehlt vor allem Wohnraum. Die Immobilienbranche fordert Anreize zum neu bauen.
Der Minister war mit sich im Reinen. Der Wohngipfel der Bundesregierung sei ein voller Erfolg gewesen, brüstete sich Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) wenige Tage nach dem Treffen im Kanzleramt im September. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den vergangenen 40 Jahren je eine so umfassende Offensive in den Wohnraum hatten.“
Nur steht er mit dieser Meinung ziemlich alleine da. Die Immobilienwirtschaft jedenfalls ist anderer Auffassung. „Die Immobilienverbände DDIV, GdW, Haus & Grund, IVD und ZIA tragen das Ergebnispapier vom Wohngipfel 2018 nicht geschlossen mit“, heißt es einer so genannten Protokollerklärung zum Ergebnispapier, die dem Handelsblatt vorliegt.
„Deutschland hat keinen Mangel an Regulierungen, Deutschland hat vielmehr einen Mangel an Wohnungen“, heißt es weiter. Einschneidende Regulierungen lehnten die Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft darum ab.
Konkret werden in dem Papier drei Punkte aufgelistet, an dem sich die Immobilienwirtschaft stört: dazu gehört die Ausweitung des Betrachtungszeitraums für den Mietspiegel von vier auf sechs Jahre, die Ausweitung des gemeindlichen Vorverkaufsrechts und Teile der Neuausgestaltung des Steuerrechts.
Die Verbände hatten sich bereits unmittelbar nach dem Wohngipfel am 21. September kritisch zu Wort gemeldet. So sprach Andreas Mattner, Präsident des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, von einem „verbesserungswürdigen“ Eckpunktepapier, das „wenige Anreize“, dafür „viele Verbote“ enthalte.
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, lobte zwar, dass mit dem Gipfel das Themen Wohnen und Bauen endlich zur Chefsache geworden sei, forderte aber zugleich Nachbesserungen der steuerlichen Rahmenbedingungen für den Neubau von Wohnungen und kritisierte wie Mattner die geplanten Neuerungen am Mietspiegel.
Immobilien- und Wohnungswirtschaft fürchten eine Blockade von Investitionen für Jahre, sollte der Betrachtungszeitraum für die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre erweitert werden. „Der Mietspiegel ist kein politisches Steuerungsinstrument, sondern ein Spiegel zur Abbildung des marktüblichen Mietniveaus in den Städten und Gemeinden“, so der GdW. Genau das würde aber gefährdet.
Der geplante Eingriff in den Mietspiegel würde tendenziell die ortsübliche Vergleichsmiete, die aufgrund der Mietpreisbremse in vielen Regionen Deutschlands um nicht mehr als zehn Prozent überschritten werden darf, auf einem niedrigeren Niveau halten. So schaffe man kein verbessertes Umfeld für Investitionen, argumentieren Immobilien- und Wohnungswirtschaft.
Der Eigentümerverband Haus & Grund kritisierte noch vor wenigen Tagen die geplanten Mietrechtsverschärfungen, etwa zur Mietpreisbremse. Die lokalen Wohnungsmarktprobleme seien eine Folge mangelnder Wohnungen in den Städten und nicht mangelnder Mieterrechte.
Nachbesserungsbedarf sieht die Wohnungswirtschaft bei der geplanten Sonderabschreibung im Mietwohnungsneubau. Diese berge die Gefahr von immensen Preissteigerungen in der sowieso schon überhitzten Baukonjunktur, heißt es. Sinnvoller wäre es, die reguläre lineare Abschreibung für den Neubau von zwei auf drei Prozent zu erhöhen.
Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung – immerhin im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD versprochen – war auf dem Wohngipfel im Kanzleramt kein Thema. Und ob Bund und Länder bei der geplanten Vereinheitlichung der Bauordnungen vorankommen, ist nach wie vor vollkommen unklar.
„Der groß inszenierte Wohngipfel der Bundesregierung entpuppt sich im Detail als reine Augenwischerei“, sagt der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst. Die Mehrzahl der Beschlüsse könne gar nicht umgesetzt werden, sondern „werden laut Bundesregierung lediglich geprüft“.
Föst beruft sich dabei auf die Antworten der Bundesregierung auf zwei Kleine Anfragen, aus denen unter anderem hervorgeht, dass das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) derzeit dabei sei, „in Abstimmung mit allen Beteiligten zu prüfen, welche gesetzliches Änderungen dazu beitragen können, die Verfügbarkeit von Bauland zu erhöhen“.
Immerhin: Die Expertenkommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“, im September vom BMI eingerichtet, soll vor der parlamentarischen Sommerpause 2019 Ergebnisse vorlegen, heißt es in einer der Antworten aus dem Ministerium.
Schleppend geht es auch bei der Frage voran, ob es künftig vielleicht einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb von Wohnraum für Familien geben könnte. Die Ertrags- und Verwaltungshoheit bezüglich der Grunderwerbsteuer stehe ausschließlich den Ländern zu, antwortet BMI-Staatssekretär Klaus Vitt.
Beim Wohngipfel habe es keinen Beschluss für die Einführung eines solchen Freibetrags gegeben. „Aus diesem Grund wird das federführende Bundesministerium der Finanzen zu gegebener Zeit Kontakt zu den obersten Finanzbehörden der Länder aufnehmen.“
Für Föst ist das Beschlusspapier des Wohngipfels nicht mehr als eine Sammlung von Absichtserklärungen, Umsetzung völlig offen. Es sei absolut nachvollziehbar, sagte Föst, „dass immer mehr Teilnehmer sich von den Ergebnissen des Gipfels distanzieren“. Es müsse dringend entbürokratisiert werden und Verfahren beschleunigt, beispielsweise durch einen einfachen Dachausbau.
Quelle: Handelsblatt