„Es muss mehr gebaut werden“
Es ist ein einmaliger Vorgang in Deutschland: Die Berliner Regierung friert die Mieten für fünf Jahre ein. Kritiker laufen Sturm. Sie halten einen Mietendeckel für das falsche Mittel, um Verteuerungen zu stoppen. Warum sie Recht haben dürften.
Der Plan des Berliner Senats ist klar: Der rot-rot-grüne Senat will inmitten der aufgeheizten Stimmung auf dem Mietmarkt in Berlin als erstem Bundesland einen fünfjährigen Mieterhöhungsstopp einführen. Das soll helfen, bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Der Neubau ist von den Regelungen ausgeschlossen – so soll der Bau attraktiv bleiben.
Der Mietendeckel des Berliner Senats soll folgende Punkte umfassen, wie der „Tagesspiegel“ zusammenfasst:
In Berlin dürfen die Mieten von gut 1,5 Millionen Wohnungen in den kommenden fünf Jahren nicht erhöht werden. Besonders brisant: Das Gesetz soll rückwirkend ab dem 18. Juni gelten.
Bei Neuvermietungen darf höchstens die letzte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis verlangt werden. Mieterhöhungen bei einer Neuvermietung sind damit untersagt.
Modernisierungsumlagen werden genehmigungspflichtig, wenn durch sie die Bruttowarmmiete um mehr als 50 Cent pro Quadratmeter monatlich steigt.
Kritiker laufen gegen den Senatsbeschluss Sturm, auch wenn Neubauwohnungen von dem Verbot ausgenommen sind.
Mangelhafte praktische Umsetzung warf etwa die „Süddeutsche Zeitung“ der Politik vor. Denn der Senat hatte den Mietendeckel vorher angekündigt. Der Eigentümerverband Haus & Grund empfahl noch schnell Mieterhöhungen. Damit hat die Berliner Stadtführung vielen Mietern einen Bärendienst erwiesen.
Immobilien-Experte ist „schockiert“
Immobilien-Experte Ralph Henger, Senior Economist für das Kompetenzfeld Finanz- und Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, kritisiert die Pläne auf Nachfrage massiv.
Der Ökonom lässt kein gutes Haar am Mietendeckel: „Ich bin schockiert, der Berliner Senat hat einen katastrophalen politischen Beschluss gefasst.“
Berliner Senat „greift zum schärfsten Mittel“ – statt das Bauen zu fördern
Henger präzisiert, das Vorhaben sei „ein negatives Signal an Investoren, Geld in Berliner Immobilien zu stecken“. Aus Sicht des IW Köln „handelt es sich um einen viel zu starken Eingriff in das bestehende Mietrecht“, so der Immobilienfachmann. Sinnvoller wäre gewesen, die bestehen Mittel effizienter einzusetzen. Dazu zählt Henger das aktuelle Mietrecht, Milieuschutzgebiete, Wohngeld und den sozialer Wohnungsbau. „Richtig eingesetzt sind sie absolut ausreichend.“
Henger wirft dem Berliner Senat vor, mit dem Mietendeckel zum „schärftsten Mittel“ gegriffen zu haben. Der Fachmann rät der Politik zu einem ganz anderen Vorgehen: „Nötig wäre vielmehr eine Initiative für mehr Bauen – das würde den Preisdruck senken.“
Mit dem rot-rot-grünen Senatsbeschluss sieht Henger den Druck auf Immobilieninvestoren gewachsen, den Berliner Markt zu verlassen.
Das dürfte weitreichende Folgen haben. Denn der nötige Bauboom würde damit ins Wasser fallen. Weiterer negativer Effekt: Wenn sich Renovierungen nicht mehr rechnen, unterbleiben sie. Damit verfällt der Immobilienbestand.
Nur ein Umstand tröstet den IW-Köln-Experten Henger: Die Berliner Senats-Beschlüsse sind vorläufig auf fünf Jahre befristet. Das sei ein überschaubarer Zeitraum.
Opposition befürchtet steigende Wohnungsnot
Mit dieser Aussicht tröstet sich die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus nicht. „Hier wird nicht mehr zwischen Vermietern unterschieden, die fünf oder 15 Euro pro Quadratmeter von ihren Mietern verlangen. Das kann nicht klappen“, erklärte Christian Gräff, CDU-Fraktionssprecher für Bauen und Wohnen, laut einem Bericht des „Tagesspiegels“. Auch Gräff ist der Auffassung, beim Mietendeckel handele es sich um ein gänzlich ungeeignetes Mittel. Die Maßnahme werde die Wohnungsnot in Berlin nicht mildern, sondern vielmehr erhöhen.
Quelle: FOCUS Online