Eine Immobilien-GmbH will kurz vor einer mieterfreundlichen Gesetzesreform eine Mieterhöhung durchsetzen. Der Mieterverein wehrt sich für die Bewohner und testet dabei ein neues Klageinstrument – letztlich ohne Erfolg.
Von Claudia Kornmeier, ARD-Rechtsredaktion
Vor mehr als zwei Jahren wurde die Musterfeststellungsklage als neues Klageinstrument für Verbraucher eingeführt. Beobachter blickten gespannt auf den ersten Anwendungsfall im VW-Abgasskandal, der aber mit einem Vergleich endete.
Der erste Musterprozess, über den nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, beschäftigte sich aber mit dem Mietrecht. Denn auch Mieter sind Verbraucher und können von dem neuen Instrument profitieren. Allerdings ist es für Fälle aus dem Mietrecht gar nicht so einfach, die Klage-Voraussetzungen zu erfüllen.
In dem konkreten Fall geht es um eine Mieterhöhung wegen einer angekündigten Modernisierung in einer Schwabinger Wohnanlage. Damit nicht jeder Mieter allein einzeln klagen muss, hatte der Münchner Mieterverein eine Muster-Klage erhoben. Rund 100 Bewohner schlossen sich der Klage an. In den Vorinstanzen bekamen sie Recht. Vor dem BGH gewann nun aber in letzter Instanz die Vermieterin, ein Immobilien-Unternehmen.
Erhebliche Mieterhöhungen
Wärmedämmung, neue Fenster, Rollläden und Balkone – all dies kündigte die Hausverwaltung den Mietern Ende Dezember 2018 an. Geplanter Beginn des ersten Bauabschnitts: Ende 2019 – also erst fast ein Jahr nach der Ankündigung. Alle weiteren geplanten Maßnahmen sollten sogar erst im Zeitraum zwischen Frühjahr 2021 und Sommer 2023 durchgeführt werden.
Mit der Ankündigung verbunden: Mieterhöhungen in erheblichem Umfang. Nach Angaben des Mietervereins hätte ein betroffenes Ehepaar 729 Euro mehr Miete pro Monat zahlen sollen.
Gesetzesänderung ab 2019
Der Hintergrund für die Modernisierungsankündigung kurz vor Jahresende: Am 1. Januar 2019 trat eine Gesetzesänderung in Kraft, die die Rechte der Mieter stärkte. So durften Vermieter früher jährlich elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter umlegen, seit 2019 dürfen es nur noch acht Prozent sein.
Außerdem darf die Miete nach einer Modernisierung innerhalb von sechs Jahren – je nach Höhe der Ausgangsmiete – höchstens um zwei beziehungsweise drei Euro pro Quadratmeter im Monat steigen.
Für das betroffene Ehepaar bedeutet das: Nach neuem Recht hätte sich ihre Miete um maximal rund 230 Euro im Monat – statt um 729 Euro – erhöhen dürfen, so der Mieterverein.
BGH: Nutzung der Übergangsregelung nicht treuwidrig
Für laufende Mietverträge hat der Gesetzgeber allerdings eine Übergangsregelung getroffen: Wenn die Ankündigung der Modernisierung dem Mieter bis zum 31. Dezember 2018 zuging, sollte das alte Recht gelten. Diese Übergangsregelung wollte die Immobilien-GmbH aus Sicht des Mietervereins ausnutzen, um „noch schnell altes Recht abzugreifen“. Dies sei „unzulässig“.
Der Bundesgerichtshof sah das nun anders: Das Unternehmen habe sich nicht rechtsmissbräuchlich verhalten. Auch dann nicht, wenn der Grund für die Modernisierungsankündigung kurz vor dem Jahresende war, die Übergangsvorschrift zu nutzen und noch von der alten Regelung zu profitieren. Wenn es dem Vermieter möglich sei, noch vor Ablauf der Übergangsfrist eine Modernisierung ordnungsgemäß anzukündigen, sei es nicht treuwidrig, wenn er sich die Stichtagsregelung zunutze mache.
Einen „engen zeitlichen Zusammenhang“ zwischen der Ankündigung der Modernisierung und dem geplanten Baubeginn verlange das Gesetz nicht. Das Oberlandesgericht München hatte dies in der der Vorinstanz so gesehen.
Musterklage nicht auf Miet-Fälle zugeschnitten
Weitere Musterklagen zu mietrechtlichen Fragen gibt es bislang nicht. Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes ist die Musterfeststellungsklage zwar ein sinnvolles Instrument, in der praktischen Anwendung im Mietrecht aber nicht unkompliziert. Die Musterfeststellungsklage sei für typische Massengeschäfte konzipiert, was Wohnungsmietverhältnisse nicht sind.
Damit eine Muster-Klage überhaupt eingereicht werden kann, müssen zunächst mindestens zehn Verbraucher mitmachen. Innerhalb der folgenden zwei Monate müssen insgesamt 50 Verbraucher zusammenkommen. Für die Anwendung der Musterfeststellungsklage im Mietrecht wäre es aus Sicht des Mieterbundes sinnvoller, wenn weniger Personen nötig wären.
Quelle: tagesschau