Muss ein Vermieter auf einen Teil der Miete verzichten, wenn der Gewerbemieter wegen Corona den Laden vorübergehend dicht machen musste? Entscheidend ist, ob die Lockdown-bedingte Schließung einen Mangel darstellt, der eine Mietminderung rechtfertigt. Die Gerichte sind geteilter Meinung.
Im Frühjahr mussten im Zuge des ersten Corona-bedingten Lockdowns viele Geschäfte schließen. Das war mit zum Teil erheblichen Umsatzeinbußen verbunden. Doch berechtigt dieser Umstand einen Gewerbemieter dazu, weniger Miete zu zahlen? Das Thema Mietminderung in der Gewerbemiete – und der Pacht – wird mit den neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie akuter. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will mit einer Änderung des Mietrechts Rechtssicherheit schaffen, doch das sind erst einmal nur Pläne.
Bislang liegen zu dieser Rechtsfrage nur Urteile aus den unteren Instanzen vor, die unterschiedlich ausfallen. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung bleibt die Rechtslage ungeklärt. Eine Übersicht der bisherigen Positionen:
LG Frankfurt: Kein Mietmangel, keine Störung der Geschäftsgrundlage
In der staatlich verordneten Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts wegen der Covid-19-Pandemie liegt kein Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB, entschied das Landgericht (LG) Frankfurt am Main (Urteil v. 5.10.2020, Az. 2-15 O 23/20). Eine Mietminderung sei nicht gerechtfertigt.
Das Gericht verneinte auch eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB mit der Begründung, dass die Schließung für den Mieter, in diesem Fall einen großen Filialisten, nicht existenzbedrohend war. Ein vorübergehender finanzieller Engpass reichte dem Gericht nicht aus. Das Festhalten am unveränderten (nicht angepassten) Vertrag sei auch nicht unzumutbar. Die Mieterin hat keinen Anspruch auf eine Anpassung des Vertrags beziehungsweise der Miete. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ähnlich entschieden die Landgerichte in Heidelberg (Urteil v. 30.7.2020, Az.: 5 O 66/20) und Zweibrücken (Urteil v. 11.9.2020, Az.: HK O 17/20): Eine Mietminderung „wegen Corona“ kommt demnach nicht in Betracht. Beide Gerichte erkannten die Beschränkungen und ausbleibenden Umsätze wegen behördlicher Schließungsanordnungen nicht als Mietmangel im Sinne des § 536 BGB an. Sie schlossen sich der Argumentation des Bundesgerichtshofs an (BGH, Urteil v. 16.2.2000; Az. XII ZR 297/97): Solange die gemietete oder gepachtete Fläche grundsätzlich weiter uneingeschränkt genutzt werden kann, liegt kein Mietmangel. Das sei bei den Covid-19-Maßnahmen der Fall.
LG München I: Corona-bedingte Ladenschließung berechtigt zur Mietminderung
Das LG München I wiederum erkennt in der behördlich angeordneten Schließung eines Einzelhandelsgeschäft zur Covid-19-Bekämpfung und der Beschränkung der Mietsache einen Mietmangel im Sinne des BGB. (LG München I, Endurteil v. 22.9.2020, Az. 3 O 4495/20)
Die Richter kamen unter Berufung unter anderem auf ein Urteil des Reichsgerichts (Entscheidung v. 9.11.1915, Rep. III.145/15) zu dem Ergebnis, dass ein Mietmangel als „Unbrauchbarkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch“ auch auf behördlichen Verfügungen beruhen kann. Das Reichsgericht hatte in Bezug auf ein Restaurant entschieden, „das jedenfalls in nicht unwesentlicher Weise als Tanzbar betrieben war“, wobei nach Beginn des ersten Weltkriegs Tänze polizeilich stark eingeschränkt wurden. Hier führte das Reichsgericht aus, dass, so „der Tanzbetrieb die eigentliche Quelle des Erwerbs aus der Gastwirtschaft“ zur Zeit des Vertragsschlusses bildete und somit ein Anspruch auf Mietminderung gerechtfertigt sei.
Die Kammer hält eine Mietminderung um bis zu 80 Prozent für angemessen. Der Mieter wollte 100 Prozent Mietminderung für den Zeitraum April bis Juni 2020. Das Gericht war aber der Ansicht, dass der Betreiber eines Möbelgeschäfts nicht jeden Monat gleich stark durch die Ladenschließung beeinträchtigt war und „staffelte“ die Minderung. Im April musste der Vermieter am meisten nachgeben mit der Miete (80 Prozent), 50 Prozent waren es im Mai und 15 Prozent im Juni, die der Mieter rechtmäßig gestundet hat. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.
Weiteres Urteil aus München: Vertragsanpassung unabhängig von drohender Insolvenz
In einem weiteren Fall vor einer anderen Kammer des LG München I (Endurteil v. 5.10.2020, Az. 34 O 6013/20) wurde die vollständige Schließung durch die Allgemeinverfügung als unzumutbare Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs bewertet. Das Gericht will auch nicht danach unterscheiden, ob einem mietenden Unternehmen infolge der Schließung die Insolvenz droht oder nicht.
Die Mieterin in diesem Fall nutzte die gemieteten Räume als Galerie für künstlerische Fotografien. Die Räumlichkeiten waren aufgrund einer Allgemeinverfügung der zuständigen Ministerien im Zuge der Pandemie zwischen dem 18. März und dem 26. April geschlossen worden. Diese vollständige Schließung führte nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall „schon zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs“. Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 313 Abs. 1 BGB lägen vor. Die Vorschrift lautet:
„Haben sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“
Das Gericht hat die Vertragsanpassung so vorgenommen, dass die Miete für eineinhalb Monate um die Hälfte reduziert werden musste.
Quelle: Haufe