In Bayern untersagte das Verfassungsricht ein Volksbegehren zum Mietenstopp. In NRW und Niedersachsen wurde die Mietpreisbremse gekippt. Grund: Die Landesministerien haben wichtige Begründungen vergessen. Die Mieter sind die Dummen. Nur in Berlin nicht – zumindest vorerst.
Für viele Mieter in Deutschland gibt es zurzeit wenig Hoffnung auf eine Pause bei den Preisanstiegen. Das zeigen gleich drei aktuelle Gerichtsurteile in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In Bayern kippte der Verfassungsgerichtshof am Donnerstag das Volksbegehren „#6 Jahre Mietenstopp“.
Der Staat müsse das Begehren nicht für eine Abstimmung zulassen, weil der entsprechende Gesetzentwurf „mit Bundesrecht offensichtlich unvereinbar“ sei, argumentierten die Richter. Die Gesetzgebungskompetenz beim Mietrecht liege beim Bund und nicht dem Land Bayern.
Die entsprechende Volksinitiative hatte einen Mietenstopp für eine Dauer von sechs Jahren gefordert und im März 52.000 Unterschriften beim Innenministerium eingereicht. Das geforderte Gesetz hätte Mieterhöhungen nur bis zur 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete erlaubt und sollte in 162 Städten und Gemeinden gelten – jenen Gemeinden, in denen der Wohnungsmarkt als angespannt gilt und deshalb bereits die Mietpreisbremse in Kraft ist.
Aus Sicht der Verfassungsrichter war genau das ebenfalls ein Grund, das Begehren abzulehnen: Mit der Mietpreisbremse des Bundes seien bereits erschöpfende Regelungen gegeben, und der Entwurf des Volksbegehrens stelle nur eine Verschärfung dessen dar, heißt es in der Entscheidung.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich nach Bekanntwerden der Entscheidung zufrieden. Das Gericht habe die Rechtsauffassung seines Ministeriums bestätigt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben seien.
Der Deutsche Mieterbund dagegen reagierte enttäuscht: „Die Neuvertragsmieten in München liegen derzeit bei 18,31 Euro pro Quadratmeter. Solche Wuchermieten sind unanständig und gefährden den sozialen Frieden in unserem Land“, sagte der Präsident des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten.
Bayerisches Urteil sei ein Weckruf
Weil das Mietrecht auf Landesebene offenbar nur schwer geändert werden könne, müsse sich nun die Bundesregierung dafür einsetzen, so Siebenkotten. Gegenüber WELT bekräftigte er die Forderung des Mieterbundes nach einer bundesweiten vereinfachten Preisbremse, wonach Mieterhöhungen beispielsweise nur noch im Rahmen der allgemeinen Preissteigerung, also der Inflationsrate, möglich sein sollten. „Wenn die Länder es nicht können, muss eben der Bund ran“, so Siebenkotten.
In laufenden Mietverträgen dürfen Vermieter die Miete alle drei Jahre um 20 Prozent anheben, in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt um 15 Prozent. „Das ist zu viel und belastet viele Mieterhaushalte inzwischen zu stark“, so Siebenkotten.
Der Mieterbund plane jetzt weitere Initiativen, um die Bundesregierung zu strengeren Mietpreisregeln zu bewegen. „Das Urteil in Bayern ist ein Weckruf, wir werden eine weitere Offensive starten“, so Siebenkotten. Vermietervertreter argumentieren hingegen, ein bundesweiter Mietenstopp würde die Rechte der Vermieter unverhältnismäßig einschränken.
Bei privaten Vermietern und in der Wohnungswirtschaft wächst nun die Hoffnung, dass auch der Mietendeckel in Berlin vom Bundesverfassungsgericht für ungültig erklärt werden könnte. Das Gesetz ist seit Februar in Kraft und hat die Mieten vereinfacht gesagt auf dem Stand vom 18. Juni 2019 eingefroren. Erst ab 2021 und bei Modernisierungen sollen Erhöhungen möglich sein.
„Wir begrüßen diese Entscheidung“, sagte der Präsident des Immobilien-Branchenverbands ZIA, Andreas Mattner, zum Bayern-Urteil. „Dies ist ein erster Hinweis darauf, wie der Mietendeckel in Berlin juristisch ausgehen könnte. Zahlreiche Gutachten haben bereits bestätigt, dass die Bundesländer nicht über die Gesetzgebungskompetenz verfügen, regionale Mietendeckel einzuführen.“
Der ZIA plädiert wie andere Vermieterverbände dafür, den steigenden Mieten mit mehr Wohnungsneubau zu begegnen. Mieterbund-Präsident Siebenkotten sieht darin nur langfristig eine Lösung: „Wir haben bereits einen Bauüberhang von 770.000 Einheiten, also bereits genehmigten, aber unfertigen Wohnungen“, so Siebenkotten.
Das zeige, dass die Bauwirtschaft ausgelastet sei, während die Mieten trotzdem weiter stiegen. Bis der Neubau tatsächlich den Markt entlaste, müsse mehr reguliert werden.
Schema F in den Landesministerien
Nicht nur Mietenstopp und Mietendeckel erweisen sich als juristische Problemfälle. Auch die Mietpreisbremse sorgt für Dauerstreit. Das Instrument gilt zwar bundesweit und ist auch deshalb verfassungsrechtlich bestätigt. Doch viele Bundesländer haben bei der Umsetzung Fehler gemacht.
Sie mussten eigene Verordnungen erlassen und darin begründen, wo und weshalb die Mietpreisbremse eingesetzt wird. Das wurde von fast allen Landesregierungen versäumt.
Jetzt sind auch die Mieter in Nordrhein-Westfalen (NRW) betroffen. Das Landgericht Köln hat in einem Mietrechtsstreit die bis Ende Juni geltende Verordnung in ganz NRW für ungültig erklärt. Die Richter bestätigten das Urteil eines Amtsgerichts, wonach in dem Bundesland in dem betreffenden Zeitraum keine wirksame Verordnung in Kraft gewesen sei – „mangels ausreichender Begründung“, heißt es in dem Urteil, das WELT vorliegt.
Das bedeutet: Für alle in dem Geltungszeitraum vom 23. Juni 2015 bis 30. Juni 2020 abgeschlossenen Verträge gilt die Mietpreisbremse nicht – es sei denn, es liegt bereits ein Gerichtsurteil in der jeweiligen Angelegenheit vor.
In dem Kölner Streit wollte eine Mieterin die Regeln der Mietpreisbremse durchsetzen. Danach dürfen Vermieter bei einem neuen Vertrag nur eine Miete fordern, die höchstens zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete gilt. Weil das Landgericht die komplette Verordnung kippte, muss sie jetzt eine Miete zahlen, die eigentlich oberhalb der vom BGB erlaubten Grenze liegt.
Solche Urteile gab es reihenweise in den vergangenen Jahren. Teilweise haben die Landesregierungen nachgebessert, teilweise befinden sich Vermieter und Mieter immer noch in einer juristischen Hängepartie.
Laut Daniel Halmer, Rechtsanwalt und Gründer des Berliner Legal Tech Unternehmens Conny GmbH, gelang es lediglich der Berliner Landesregierung, eine korrekte Verordnung auf den Weg zu bringen. Conny betreibt die gleichnamige Verbraucherrechtsplattform Conny (vormals „wenigermiete.de“) und hatte das Verfahren in Köln selbst angestrebt.
„Normalerweise müssen Landesverordnungen nicht begründet werden“, so Halmer. „Insofern stellen die Mietpreisbegrenzungsverordnungen zwar eine Besonderheit dar, aber für jeden Ministerialbeamten war durch schlichte Lektüre des BGB ersichtlich, dass es eine Begründung geben muss und dass diese auch mit der Verordnung zu veröffentlichen ist. Man hat in den Landesministerien offenbar einfach „Schema F“ gemacht und die Mieterinnen und Mieter sind die Gelackmeierten. Das ist schon ein Skandal.“
Laut Halmer seien lediglich bereits gefällte Mietpreisbremsen-Urteile in NRW weiterhin gültig. Doch bei offenen Streitigkeiten dürfte nun das Kölner Urteil als Vorlage dienen. Und wer noch vorhatte, die Mietpreisbremse bei einem Vertrag zu ziehen, der bis Ende Juni 2020 abgeschlossen wurde, geht nun leer aus.
Seit Anfang Juli gilt in Nordrhein-Westfalen nun eine neue Verordnung, allerdings nicht mehr für 59, sondern nur noch für 18 Städte und Gemeinden. Das Mietpreisbremsen-Chaos ist damit perfekt.
Auch in Niedersachsen gehen viele Mieter jetzt leer aus. Am Mittwoch stellte das Landgericht Hannover fest: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Mieterschutzverordnung Ende 2016 hatte das Land Niedersachsen zwar unter anderem Hannover als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen, aber keine Begründung dafür geliefert. Die Schlussfolgerung: Die ganze Preisbremse ist ungültig. Das niedersächsische Bauministerium arbeitet an einer neuen Verordnung.
Quelle: Welt