Das Bundesjustizministerium hat eine Studie zur Rechtsprechung zur Mietpreisbremse erstellt. Das Ergebnis ist Fallsammlung für Mieter und Vermieter.
Berlin. Gerade hat Bundesjustizministerin Katarina Barley verkündet, die Mietpreisbremse bis 2025 verlängern zu wollen, um rasant steigende Mieten in gefragten Wohngegenden zu dämpfen. Noch im Frühjahr will die SPD-Politikerin einen entsprechenden Entwurf vorlegen.
Doch das Instrument entfaltet nur dann seine ganze Wirkung, wenn die Mieter auch von ihm Gebrauch machen – also die Furchtlosigkeit aufbringen, sich gerichtlich gegen Vermieter mit überhöhten Anfangsmieten zur Wehr zu setzen. Doch wie steht es um die praktische Anwendung der Mietpreisbremse?
Das hat das Bundesjustizministerium nun unter die Lupe genommen und alle bislang von den Gerichten veröffentlichten Entscheidungen analysiert und sich weitere Urteile verschafft. Entstanden ist eine aufschlussreiche Fallsammlung für Mieter und Vermieter.
650 Euro zu viel pro Monat
In den 91 ausgewerteten Fällen waren drei Viertel der Mieter zumindest teilweise erfolgreich. Im Schnitt zahlten die Kläger monatlich 167 Euro zu viel. Eklatant ist der Fall, der vor dem Amtsgericht Berlin Tempelhof-Kreuzberg landete (Az. 8 C 128/17). Hier war ein Mietpreis von 1.385 Euro pro Monat vereinbart worden. Den zulässigen Mietpreis setzten die Richter schließlich auf 734,65 Euro fest. Die Mieter hatten also monatlich gut 650 Euro zu viel gezahlt und machten entsprechende Rückforderungsansprüche geltend.
Im Kern sieht die 2015 zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren geschaffene Mietpreisbremse vor, dass bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt die Miete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Der Mietspiegel vor Ort liefert die Höhe der Vergleichsmiete.
Die Bundesländer bestimmen dabei, welche Märkte als „angespannt“ gelten. Zunächst machte Berlin von der Ermächtigung Gebrauch. Dann folgten Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Laut Aufstellung des Ministeriums haben nun 13 Bundesländer entsprechende Verordnungen erlassen und die Mietpreisbremse für 315 Kommunen für anwendbar erklärt. Im Saarland, in Sachsen und Sachsen-Anhalt existiert bislang keine Mietpreisbremse.
Voraussetzung für eine mögliche Rückforderung zu viel gezahlter Miete ist eine „qualifizierte Rüge“ gegenüber dem Vermieter. Hierzu stellten die Richter fest, es sei für eine ordnungsgemäße Rüge ausreichend, wenn Mieter eine Einordnung der Wohnung in den Mietspiegel vornehmen und eine ihrer Auffassung nach höchstens zulässige Nettokaltmiete im Rügenschreiben angeben. Hierbei sei unerheblich, wenn dem Mieter ein Rechenfehler unterlaufe, entschied das Amtsgericht Berlin Neukölln (Az. 11 C 414/15). Denn Zweck des Begründungszwangs sei lediglich, rein pauschale Beanstandungen der Mieter auszuschließen.
Streit um Rechtsbeistand
Bei der Frage, ob die Kosten für einen Rechtsbeistand, der in Sachen Mietpreisbremse beauftragt wird, ersatzfähig sind, ging es erneut um die Form der Rüge. Das Amtsgericht Berlin Mitte stellte fest, es reiche ein „unjuristisch-laienhaftes Schreiben“ an den Vermieter.
Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sei über das Internet mühelos auch einem durchschnittlich bewanderten Mieter möglich – ein Rechtsbeistand darum nicht zwingend nötig. Schließlich habe der Gesetzgeber sich auch dafür entschieden, die deutlich kompliziertere Einkommensteuererklärung durch den Einkommensbezieher selbst anfertigen zu lassen (Az. 9 C 295/17).
Zu einer komplett gegensätzlichen Argumentation kam hingegen das Amtsgericht Berlin Lichtenberg. Demnach können die Schwierigkeiten, die sich bei der Umsetzung der Mietpreisbremse ergeben, dem Mieter nicht allein und ohne rechtlichen Beistand auferlegt werden. Der durchschnittliche Mieter sei nicht „problemerfahren und routiniert“ genug, sein Vorgehen habe folglich geringere Erfolgsaussichten (Az. 16 C 135/17 und 11 C 35/18).
In einem Fall pochte ein Vermieter auf eine „vorvertragliche Aufklärungspflicht“. Sprich: Der Mieter hätte vorab darauf hinweisen müssen, dass er die verlangte Miete für überhöht halte und später dagegen vorgehen wolle. Alles andere sei „arglistige Täuschung“. Hier urteilte das Amtsgericht München, eine solche Verpflichtung würde die Mietpreisbremse vollumfänglich leerlaufen lassen (Az. 422 C 6013/16). Wer vor Vertragsabschluss „meckere“, würde mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausscheiden.
Natürlich spielten auch die Ausnahmetatbestände vor Gericht eine Rolle. Denn die Mietpreisbremse greift nicht bei Neubauwohnungen, die erstmals nach dem 1. Oktober 2014 genutzt und vermietet wurden, sowie bei umfassend modernisierten Wohnungen und höherer Vormiete.
Folglich kommt es bei der Mietpreisbremse zum auch sonst typischen Streit, ob es sich um Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen handelt. So auch in einem Fall, über den das Amtsgericht Berlin Wedding zu entscheiden hatte (Az. 9 C 120/17). Hier bot der Vermieter nach einer Rüge dem Mieter an, Einsicht in die Belege für die Modernisierungskosten zu nehmen. Doch der Mieter machte in der Folge keine konkreten Einwände geltend und bestritt einfach die Angaben. Das Gericht gab dem Vermieter recht – auch weil nicht aktenkundig war, dass der Mieter überhaupt von der angebotenen Einsicht Gebrauch gemacht hatte.
Umstrittene Rechtsdienstleister
Dass mittlerweile viele Urteile zur Mietpreisbremse erstritten wurden, liegt auch an Rechtsdienstleistern, wie der Berliner Plattform „Wenigermiete.de“. Sie bearbeiten die Fälle massenhaft mithilfe von Software und lassen sich dafür Ansprüche abtreten.
Dieser Umstand hat die Legal-Tech-Unternehmen allerdings selbst zum Gegenstand von Klagen gemacht. Denn die erlaubte Tätigkeit eines Rechtsdienstleisters erstreckt sich nur auf die „Forderungseinziehung“, was die Existenz eines Anspruchs voraussetzt.
Die Rückforderungsansprüche der Mieter entstehen im Grunde aber erst, nachdem die Legal-Tech-Unternehmen tätig werden und die Rüge beim Vermieter abgeben. Hier haben die Gerichte bislang uneinheitlich entschieden (Az. 63 S 1/18 und 65/ S 70/18). Mittlerweile befasst sich der Bundesgerichtshof mit der Frage (Az. VIII ZR 275/18).
Außerdem ist die Mietpreisbremse insgesamt bereits zum Fall für das Bundesverfassungsgericht geworden: Das Landgericht Berlin hatte Karlsruhe Ende 2017 die Frage vorgelegt, ob die Regelungen verfassungswidrig sind.
Das Verfahren ist derzeit in Bearbeitung, die Annahmehürde wurde aber noch nicht genommen.
Quelle: Handelsblatt