Höhere Zinsen und Preise treffen den Wohnungsbau hart: Mehr als jede fünfte Firma verzeichnet stornierte Projekte, fast die Hälfte beklagt fehlende Aufträge. In der Branche ist die Stimmung im Keller.
Seit 1991 erhebt das Münchner Ifo-Institut die Stimmung im Wohnungsbau – und seitdem war sie noch nie so schlecht: Der sogenannte Geschäftsklimaindex in der Branche ist im September auf minus 54,8 Punkte gefallen . Grund dafür sind nicht nur fehlende neue Aufträge – hier meldeten 46,6 Prozent der Betriebe einen Mangel. Auch bereits erteilte Aufträge werden häufig storniert, im September waren 21,4 Prozent der befragten Unternehmen davon betroffen. Im langfristigen Mittel geben das lediglich 3,5 Prozent der Unternehmen an.
»Viele Projekte sind wegen der höheren Zinsen und gestiegenen Baukosten nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar. Die Wohnungen, die heute nicht begonnen werden, werden uns in zwei Jahren auf dem Mietmarkt fehlen«, sagt Klaus Wohlrabe, der Leiter der Ifo-Umfragen.
Das Institut spricht von einer »sehr schwierigen Lage im Wohnungsbau«. Bezogen auf den Auftragsmangel, über den 46,6 Prozent der Unternehmen klagen, sagte Wohlrabe: »Das ist eine Verdreifachung innerhalb der letzten zwölf Monate. Die Entwicklung ist dramatisch.«
Gründe für die Krise sehen die Forscher unter anderem in den stark gestiegenen Zinsen infolge der hohen Inflation. Die Effektivzinssätze für private Haushalte mit einer Zinsbindung von fünf bis zehn Jahren lägen derzeit bei 3,81 Prozent und damit um mehr als das Dreifache höher als noch 2021.
Gleichzeitig werde Bauen immer teurer – und das erheblich. Seit Beginn der Pandemie seien die Baupreise um mehr als 40 Prozent gestiegen. Das liege nicht allein an den höheren Materialpreisen, sondern auch an langwierigen und kostspieligen Genehmigungsprozessen sowie hohen Nachhaltigkeitsstandards, schreiben die Forscher.
Bauprojekte, die 2022 noch rentabel gewesen seien, seien jetzt oft nicht mehr finanzierbar. Weil es aber lange dauere, bis Projekte fertiggestellt würden, werde sich das Ausmaß der jetzigen Auftragsflaute erst mit einiger Verzögerung auch in der Zahl neuer Wohnungen niederschlagen.
Quelle: SPIEGEL Wirtschaft