Der Wohnraum pro Kopf in Deutschland wächst seit Jahren – trotz steigender Immobilienpreise. Während viele Gemeinden auf dem Land unter Leerstand leiden, wirken sich gerade in Städten Wohntrends aus.
Frankfurt/Main – Die Menschen in Deutschland wohnen im Schnitt auf immer mehr Raum. Gerade auf dem Land ist die Fläche pro Kopf seit 2015 deutlich gewachsen, heißt es in einer neuen Studie des Immobiliendienstleisters Empirica Regio.
Dort ist das Wohnen relativ günstig und Abwanderung treibt die Fläche pro Kopf nach oben. Doch selbst in vielen teuren Großstädten leben die Menschen auf mehr Platz als vor Jahren – trotz stark steigender Immobilienpreise.
Die Wohnfläche pro Kopf habe zwischen 2015 und 2020 am stärksten in ländlichen Regionen mit 3,7 Prozent zugelegt, heißt in der Analyse. Am geringsten war der Zuwachs mit 1,5 Prozent in Großstädten. Für die am Mittwoch veröffentlichte Studie hat Empirica Regio alle deutschen Gemeinden ab 400 Einwohnern untersucht – analysiert wurden knapp 9000 Gemeinden und 107 kreisfreie Städte.
Wohnfläche auf dem Land am höchsten
Auf dem Land war demnach die Wohnfläche pro Kopf mit 51,4 Quadratmetern 2020 am höchsten. In Städten lag sie mit 40,9 Quadratmetern deutlich darunter, dazwischen kamen kleinere Städte und Vororte (47). Zahlen für das Jahr 2021 lagen noch nicht vor.
„Gerade ländliche Regionen haben noch genügend Bauland und -platz, um neuen Wohnraum zu schaffen. Dort dominieren Einfamilienhäuser mit einem großen Flächenverbrauch pro Kopf“, sagte Jan Grade, Geschäftsführer von Empirica Regio. „In peripheren Räumen führen aber auch zunehmende Alterung, der Wegzug der jungen Menschen und damit steigende Leerstände zu einer erhöhten Pro-Kopf-Wohnfläche.“
Die typische Gemeinde mit sehr hoher Wohnfläche von mehr als 65 Quadratmetern pro Kopf habe meist bis zu 1200 Einwohner, liege auf dem Land und leide unter Abwanderung. Den bundesweiten Schnitt für 2020 beziffert Empirica Regio auf knapp 46 Quadratmeter pro Kopf. Das Statistische Bundesamt kam in früheren Angaben auf 47,4 Quadratmeter.
Ganz vorne: Sylt und Föhr
In Beuren in der Eifel (75,2) und Aventoft in Schleswig-Holstein (73,6) wohnten die Menschen laut Studie auf besonders viel Fläche. Ganz vorne lagen Sylt und Föhr wegen der vielen Ferienwohnungen auf den Inseln. Kampen auf Sylt stand an der Spitze mit 264 Quadratmetern pro Einwohner, gefolgt von Nieblum (Föhr) sowie Wenningstedt-Braderup (Sylt) mit 121 bzw. 108 Quadratmetern. Um Sondereffekte wegen des hohen Anteils an Ferienwohnungen zu vermeiden, wurden diese und andere Gemeinden in der Analyse herausgefiltert.
Besonders wenig Wohnraum hatten dagegen die Menschen in Raunheim in Hessen und Bliesdorf in Brandenburg mit 34,3 Quadratmeter pro Kopf. Am Ende der Liste stehen auch viele Mittel- und Großstädte – etwa Stuttgart (37,6), Frankfurt (37,4) und Offenbach (35). In Berlin und Köln stagniert die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf seit Jahren bei 38,9 Quadratmetern. „Generell müssen Menschen in angespannten Wohnungsmarktregionen und den großen Metropolen auf weniger Wohnfläche pro Kopf zusammenrücken“, schrieben die Autoren.
Das Wohnen auf immer mehr Platz ist ein langjähriger Trend in Deutschland. Mit Ausnahme des Jahres 2015, als in der Flüchtlingskrise außergewöhnlich viele Menschen zuwanderten, sei der Flächenverbrauch seit 2005 stetig gestiegen, hieß es bei Empirica Regio. Im Schnitt kämen 0,2 Quadratmeter pro Jahr dazu. Der hohe Bedarf an Wohnfläche sorgt immer wieder für Diskussionen, etwa um die Versiegelung von Böden und die Energiebilanz von Gebäuden. So gab es Debatten, ob Einfamilienhäuser noch zeitgemäß seien.
Zahl der Single-Haushalte steigt
Zudem wohnen immer weniger Menschen in einer Wohnung, auch weil die Gesellschaft überaltert und die Zahl der Single-Haushalte steigt. Seit Beginn der 1990er Jahre ist der Anteil der Einpersonenhaushalte deutlich gestiegen, hieß es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Auf eine Wohnung kamen 2020 im Schnitt weniger als zwei Menschen, so das Statistische Bundesamt.
Der große Flächenverbrauch pro Kopf wirkt sich auch ungünstig auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen aus. Trotz aller Anstrengungen stagnierten die direkten CO2-Emissionen des Gebäudebestands seit 2014 bei rund 120 Millionen Tonnen im Jahr, hieß es in einer Studie der DZ Bank im vergangenen Sommer.
Noch 1995 habe die durchschnittliche Wohnfläche bei 36 Quadratmetern je Einwohner gelegen, die Menschen hatten also gut 20 Prozent weniger Raum als 2020. Eine Trendumkehr sei nicht in Sicht, so die DZ Bank. „Die wachsende Zahl an Einpersonenhaushalten und der von der Pandemie verstärkte Wunsch nach geräumigen Wohnungen – auch mit Blick auf Homeoffice – dürften das Flächenwachstum weiter vorantreiben.“
Quelle: dpa