Zwar sind die Immobilienpreise einer Studie zufolge 2023 erstmals seit 2010 wieder gesunken. Doch die Abwärtsspirale beim Wohnungsbau setzt sich Experten zufolge fort. Und die Mieten steigen gerade in Großstädten und Ballungsräumen immer weiter in die Höhe. Das heißt, auch perspektivisch steigt die Nachfrage, doch der Wohnungsbau kommt nicht hinterher.
Schon lange keine Neuigkeit mehr: Gerade in Städten und Ballungszentren wird Wohnraum immer teurer und knapper. Der Staat wollte gegensteuern und hat den Bau neuer Wohnungen sogar im Koalitionsvertrag festgehalten. Dieses gewagte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr hat die Regierung in den vergangenen Jahren weit verfehlt. Aktuelle Schätzungen gehen von rund 270.000 neu geschaffenen Wohneinheiten 2023 aus.
Schätzungen: Nur 225.000 neue Wohnungen im Jahr 2024
Besserung ist auch 2024 nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Expertinnen und Experten gehen von einer weiteren Abwärtsspirale aus. „Die Zahl der Baufertigstellungen wird auch noch 2024 deutlich zurückgehen. Das ist unabwendbar und lässt sich an der Zahl der Baugenehmigungen 2023 ablesen, denn was nicht genehmigt wurde, wird auch nicht gebaut“, schreibt zum Beispiel Daniel Hofmann, Prokurist beim GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung in einer schriftlichen Antwort an den MDR. So seien im Oktober 2023 nur rund halb so viele Einfamilienhäuser und etwa ein Viertel weniger Wohnungen in Mehrfamilienhäusern genehmigt worden wie noch im Oktober 2022.
Ähnlich pessimistisch blickt das Münchner Ifo-Institut in die nähere Zukunft. „Unsere Prognose für 2024 liegt bei 225.000 Wohneinheiten“, sagt Ifo-Ökonom Ludwig Dorffmeister. Also noch rund 45.000 Wohnungen weniger als im vergangenen Jahr. Auch ein Indikator ist die schrumpfende Zahl an Baugenehmigungen. Was nicht genehmigt und finanziert wird, wird logischerweise auch nicht gebaut.
DIW: Spekulative Immobilienblase ist geplatzt – Mieten steigen
„Der Wohnungsbau hat drei schwierige Jahre hinter sich und es wird noch ein weiteres schweres folgen“, sagt auch Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). 2024 werde für die Bauwirtschaft ein noch schwierigeres Jahr als das vergangene, heißt es in der Studie, die am Mittwoch im DIW-Wochenbericht erschienen ist. Erst 2025 rechnen Fachleute demnach wieder mit einer stabileren Auftragslage.
Ende Dezember 2023 veröffentlichte das DIW eine weitere Studie zum deutschen Immobilienmarkt: Die Immobilienblase sei geplatzt, sagt Studienautor Konstantin Kholodilin. Demnach sind die Immobilienpreise in Deutschland nach einem Höhepunkt 2022 im Folgejahr erstmals seit 2010 wieder gesunken: Baugrundstücke, Eigenheime und Eigentumswohnungen in über 150 deutschen Städten waren 2023 durchschnittlich um zwei Prozent günstiger als im Vorjahr. Besonders betroffen sind Baugrundstücke und Eigenheime in großen Städten wie Berlin, Hamburg oder München, wo die Preise um sechs bis sieben Prozent zurückgingen.
Für die Untersuchung hat das DIW Daten des Immobilienverbandes IVD für die Jahre 1996 bis 2023 ausgewertet.
So hängen Zinsen, Wohnraum, Miet- und Kaufpreise zusammen
Zum Preisrückgang geführt hat ein komplexer Mechanismus, der die Rahmenbedingunen für Bauherren, Käuferinnen und Käufer maßgeblich geändert hat: Während sich 2022, unter anderem durch die Anhebung des EZB-Leitzins, die Finanzierung von Bau- oder Kaufvorhaben deutlich verteuerte, schmälerte die gestiegene Inflationsrate die Kaufkraft der Haushalte. Zinsen wurden unerschwinglich und auch der Alltag immer teurer. Auch jetzt, wo die Bauzinsen wieder gefallen sind, herrscht dem DIW zufolge noch Zurückhaltung bei potentiellen Käufern.
Mirjam Mohr, Vorständin für das Privatkundengeschäft beim Baufinanzierer „Interhyp“, hat die Zinsentwicklung im Blick: „Wir gehen davon aus, dass das aktuelle Zinsumfeld stabil bleiben wird“, erklärt sie in einer schriftlichen Antwort an MDR AKTUELL. „Eine Rückkehr in die Niedrigzinsphase sehen wir für 2024 nicht – aber auch keinen erneuten sprunghaften Anstieg der Bauzinsen.“
Sie erklärt auch, wie Zinssätze, Kauf- und Mietpreise zusammenhängen und sich wechselseitig beeinflussen: „Steigen die Zinsen, sinkt die Nachfrage auf Seite der Immobilien, damit sinken die Preise. Weniger Nachfrage heißt aber auch, dass weniger gebaut wird und damit die ohnehin bestehende Wohnungsknappheit noch akuter wird. Wächst der verfügbare Wohnraum nicht mehr weiter, steigen die Mieten.“
Knapper Wohnraum: Mieten steigen unaufhaltsam weiter
Parallel zu den niedrigeren Kaufpreisen stiegen die Mieten 2023 um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr an. Innerhalb der vergangenen 13 Jahre nahmen die Durchschnittsmieten dem DIW zufolge um 53 Prozent zu.
Hinzu kommt eine einfache Rechnung aus Angebot und Nachfrage auf dem Mietwohnungsmarkt: „Das Angebot stagniert, die Nachfrage in den Ballungszentren steigt weiter und dementsprechend auch die Mietpreise“, sagt der Ökonom Kholodilin im Gespräch mit dem MDR. Ein stetiges Bevölkerungswachstum bei gleichzeitig schleppendem Wohnungsbau treiben die Preise voraussichtlich auch künftig weiter nach oben.
Der Wohnraummangel bezieht sich nach wie vor vor allem auf Großstädte und Ballungszentren. Genau darin sieht Kholodilin auch die Krux: „Man baut mehr, dann kommen mehr Leute in die Städte, man baut noch mehr, und dann kommen noch mehr. Das ist ein Teufelskreis“, sagt der DIW-Experte. Die Nachfrage sei hauptsächlich auf Großstädte ausgerichtet, viele wollten unbedingt in Großstädten wohnen. „Und es ist unmöglich, dort alle mit Wohnraum zu versehen.“
Sinkende Kaufpreise: Wie lange hält der Trend an?
Kholodilin geht davon aus, dass die Preise 2024 wahrscheinlich auch noch weiter fallen, geht aber auch von einer baldigen Stabilisierung des Marktes und anschließend von steigenden Preisen aus. Der mangelnde Wohnraum mache sich mittelfristig auch in steigenden Kaufpreisen bemerkbar.
Ähnlich sieht es Ifo-Experte Dorffmeister. Er antwortet schriftlich: „(Sehr) lange dürften die Wohnimmobilienpreise allerdings nicht sinken, da die Wohnraumnachfrage das Angebot vielerorts deutlich übertrifft und die Wohnungsproduktion auf absehbare Zeit zudem weiter zurückgeht.“
Dieser Wohnraummangel betrifft deutschlandweit vor allem Großstädte und Ballungszentren. Gerade in ländlicheren Regionen in den ostdeutschen Bundesländern ist die Situation oftmals eine ganz andere. „Der demografische Wandel betrifft die östlichen Bundesländer in besonderem Maße, durch die Abwanderung von jungen Menschen in den 1990er Jahren und die ohnehin dünnere Besiedlung in vielen Regionen“, sagt Daniel Hofmann, Prokurist beim GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung. „Jenseits der Rettungsinseln Rostock, Potsdam, Berlin (samt Umland), Leipzig, Dresden, Magdeburg und dem Thüringischen Dreieck sind die Perspektiven der Bevölkerungsentwicklung und damit der Nachfrage nach Wohnimmobilien ziemlich negativ.“
An welchen Stellschrauben könnte der Staat drehen?
Und an diesem Punkt, der immer größer werdenden Kluft zwischen Stadt und Land, knüpft auch Konstantin Kholodin vom DIW an. Auch Großstädte könnten nur bis zu einem gewissen Punkt verdichtet werden.
Der Staat müsse auch das Umland oder Kleinstädte wieder attraktiver machen. „Es gibt Regionen mit einem Überangebot an Wohnraum“, sagt er. Diese könnten zum einen durch Investitionen in eine entsprechende Infrastruktur interessanter gemacht werden.
Aber er sieht auch Stellschrauben, an denen der Staat drehen könnte. Etwa eine bundesweit einheitliche Senkung der Grunderwerbssteuer, um den Kauf von Immobilien oder Bauland finanziell zu erleichtern.
Um den Wohnungsbau generell wieder voranzutreiben, helfe es, Bauvorschriften zu entschlacken und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sagt Kholodilin. Auch die staatlichen Investitionen in den Wohnungsbau müssten erhöht werden.
Quelle: mdr Nachrichten