Fragebogen, Gehaltszettel, Schufa-Auskunft – auf einem angespannten Mietmarkt gehen Datenschutz und Wohnungssuche nicht mehr zusammen. Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund erklärt, was der Vermieter wann wissen darf.
Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes, kritisiert, dass bei der Wohnungssuche der Datenschutz oft vernachlässigt wird. Mietinteressenten gäben „in vorauseilenden Gehorsam“ Daten preis, um überhaupt eine Chance als Bewerber zu haben. Die einschlägigen Vorschriften sehen ganz anders aus.
SZ: Herr Ropertz, müssen sich diejenigen, die in den gefragten Groß- und Universitätsstädten auf der Suche nach einer Mietwohnung sind, quasi ausziehen, um bei ihrer Bewerbung überhaupt eine Chance zu haben?
Ulrich Ropertz: Müssen tun sie das natürlich nicht, weil auch bei der Wohnungssuche das relativ strenge deutsche Datenschutzgesetz und die Vorgaben der Datenschutzbeauftragten gelten. Nur, was auf dem Papier steht, hat mit der Realität ziemlich wenig zu tun. Wer Mieter werden will, muss sich oft nackig machen. Viele bringen auf den engen Wohnungsmärkten in vorauseilenden Gehorsam zu Besichtigungsterminen Bewerbungsmappen mit, in dem alle nur denkbaren Unterlagen stecken, vom ausgefüllten Fragebogen über den Einkommensnachweis bis hin zur Schufa-Auskunft. Auf alle diese Daten haben Vermieter oder Makler aber zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch. Diese dürfen sie bei der ersten Kontaktaufnahme oder bei Besichtigungen, bei denen die Interessenten mit ihren Bewerbungsmappen Schlange stehen, gar nicht abfragen.
Was darf der Vermieter oder Makler beim ersten Kontakt mit Mietinteressenten überhaupt erfahren?
Der Mieter muss logischerweise seinen Namen und seine Kontaktdaten angeben.
Außerdem darf der Wohnungsanbieter fragen, ob der Interessent als Single oder zum Beispiel mit Familie und drei Kindern einziehen will, ob ein Wohnberechtigungsschein vorliegt, wenn es sich um eine Sozialwohnung handelt. Gefragt werden dürfte meines Erachtens auch, ob Haustiere gehalten werden sollen. Das war es aber auch schon. Ob schon beim ersten Kontakt zum Mietinteressenten die Frage erlaubt ist, ob das Jobcenter die Miete zahlt, halte ich für zweifelhaft.
Tatsächlich werden Interessenten gezwungenermaßen zu gläsernen Personen, um wenigstens in die engere Auswahl zu gelangen. Liegt das auch an den Vermietern beziehungsweise Maklern?
Ich will das nicht verallgemeinern. Aber es ist schon so, dass Wohnungsanbieter in Regionen mit großer Wohnungsnot häufig vor der Besichtigung Informationen wie Einkommensnachweise sammeln, damit sie nicht 100 Mieter zur Wohnungsbesichtigung einladen müssen. Sonst können sie nicht selektieren. In den Immobilienportalen im Internet stellen mittlerweile ja auch Wohnungssuchende ihre eigenen Profile ins Netz. Potenzielle Vermieter können sich ihre Traummieter dann quasi aussuchen. Daran sieht man schon, was erwartet wird – die Mieter sollen bitteschön ihre Daten preisgeben, wenn sie zum Zug kommen wollen.
Aber irgendwann dürfen Vermieter doch mehr erfahren?
Ja, sicherlich, wenn die Auswahl des Mieters wirklich ansteht. Dann können sich die Wohnungsanbieter den Personalausweis zeigen lassen, eine Kopie anfertigen dürfen sie aber nicht. Sie können nach dem Beruf und dem Arbeitgeber fragen, nach den Namen weiterer Personen, die einziehen wollen, und ob eine Privatinsolvenz vorgelegen hat. Vermieter können sich dann auch nach Gehaltsnachweisen erkundigen und fragen, ob der Interessent in der Lage ist, die Wohnung zu bezahlen.
Wie ist es mit der Schufa-Auskunft?
Die sollten Vermieter oder Makler erst dann verlangen, wenn sie sich im Prinzip bereits für einen Mieter entschieden haben. Mit der Schufa-Auskunft können sie ihre Entscheidung absichern, ob die ausgesuchte Person auch wirklich zahlungsfähig und zahlungswillig ist. Meines Erachtens – und ich berufe mich dabei auf die Datenschutzbeauftragten – ist es nicht in Ordnung, schon vorher von zum Beispiel 30 Interessenten bei einer Besichtigung die Schufa-Auskunft einzusammeln.
Wie sieht es mit der Speicherung von Daten aus?
Nach dem neuen Datenschutzrecht ist es klar, dass Vermieter oder Makler Daten nur so weit speichern dürfen, wie es in diesem Fall für die Vergabe einer Wohnung notwendig ist. Fällt der Grund weg, müssen sie die Daten der Bewerber, die leer ausgegangen sind, selbstverständlich löschen. Man kann ihnen allenfalls eine Frist von zwei Monaten geben, um sich abzusichern. Denn möglicherweise könnte sich ein abgelehnter Bewerber auf das Gleichstellungsgesetz berufen und sagen, ich wurde abgelehnt, weil ich schwarz oder lesbisch bin.
Was hat sich durch die seit Mai gültige neue Datenschutzverordnung verändert?
Im Prinzip haben wir jetzt über schon länger geltendes Recht geredet. Die neuen Richtlinien haben jedoch dazu beigetragen, die Sensibilität auf beiden Seiten zu verbessern. Viele reden jetzt über ein Thema, mit dem sich sie jahrelang nicht beschäftigt haben. Neu ist, dass zum Beispiel auch Vermieter genau dokumentieren müssen, wie sie Daten erheben, wie lange und wo sie diese gespeichert haben und wie sie die Datensicherheit gewährleisten wollen.
Was müsste sich ändern, damit sich Vorschriften und Wirklichkeit wieder annähern und Mietinteressenten in den Städten nicht mehr gleich ihre Bewerbungsmappen zücken müssen?
Die Lage am Wohnungsmarkt ist, wie sie ist, und sie wird nicht so schnell besser werden. Es gibt deshalb zwei Wahrheiten: Es ist dein gutes Recht fröhlich pfeifend, ohne Bewerbungsmappe zur Besichtigung zu gehen. Die zweite Wahrheit ist: So hast du keine Chance, die Wohnung zu bekommen, wenn 20 andere mit der Mappe winken. Etwas anderes zu behaupten, wäre blauäugig. Die einzige Chance, das zu ändern, wäre das Vollzugsdefizit zu beseitigen. Datenschützer und Behörden könnten zum Beispiel stärker Wohnungsanzeigen auf offensichtliche Rechtsverstöße durchsehen. Es wäre sicherlich auch sinnvoll, wenn die Behörden sich mal mit den freiwilligen Profilen in den Internetportalen beschäftigen und fragen würden, inwieweit diese wirklich freiwillig sind. Aber das zu fordern, ist wahrscheinlich auch blauäugig, das scheitert vermutlich schon am fehlenden Personal.
Quelle: Stuttgarter Zeitung