Zweieinhalb Stunden haben Immobilienbranche und Politik beraten. Ergebnis ist ein Eckpunktepapier, das ein paar neue Ideen enthält und auch viel Bekanntes – und sogar Widersprüchliches.
Der Bund hat auf dem Wohngipfel im Kanzleramt ein Maßnahmenpaket für mehr Wohnungen auf den Weg gebracht. Familien soll unter anderem der Kauf von selbst genutztem Eigentum ermöglicht werden. Allerdings ist dabei der Kauf einer Mietwohnung ausgeschlossen.
Denn künftig sollen die Möglichkeiten reduziert werden, Mietwohnungen in „Milieuschutzgebieten“ in Eigentumswohnungen umzuwandeln, hieß es nach dem Gipfel. Das ist nur ein Teil aus dem Bündel an Maßnahmen, mit dem die Bundesregierung die hohen Wohn- und Mietkosten dämpfen will.
Hinzu kommen weitere Bremsen für den Mietenanstieg, aber auch Baukindergeld für Familien, Steuerabschreibungen für den Bau von Mietwohnungen, die Bereitstellung von mehr bundeseigenen Grundstücken und eine Milliardenoffensive im sozialen Wohnungsbau. Damit will die große Koalition erreichen, dass bis zu 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut werden.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat allerdings vor dem Gipfel vorgerechnet, dass das Ziel kaum mehr zu erreichen ist. Denn für den Plan des Bundes müssten jährlich 375.000 Wohnungen fertiggestellt werden. In diesem Jahr dürften es nach Verbandsschätzungen rund 300.000 werden. Und für viel mehr reichen die Kapazitäten in den kommenden Jahren nicht.
Bund wird zum Bauherrn
„Die Frage des Wohnens ist eine gesellschaftliche Frage, die uns alle angeht, die über den Zusammenhalt der Gesellschaft sehr viel entscheidet“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Treffen von Spitzenvertretern der Regierung und der Verbände.
Der Bund will sogar selbst zum Bauherrn werden: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wird beauftragt, auch selbst neue Wohnungen zu errichten, kündigte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) an. Es soll auch mehr Geld in die Hand genommen werden, um Gemeinden die Gründung kommunaler Wohnungsgesellschaften zu ermöglichen.
Die BImA solle zudem dafür sorgen, dass Bauland billiger an Kommunen abgegeben wird, betonte Scholz – bisher kommen oft die meistbietenden Investoren beim Kauf der Objekte zum Zuge. Die bauen dort meist Luxuswohnungen statt neue bezahlbare Mietwohnungen.
„Wir brauchen viel mehr bezahlbare Wohnungen“, sagte Scholz. Kaltmieten von zehn Euro und mehr je Quadratmeter in gefragten Gegenden würden viele Bürger an ihr finanzielles Limit bringen.
Die Verfassung werde zudem geändert, damit der Bund den Ländern und Kommunen auch künftig bei der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus stärker unter die Arme greifen könne.
Bis 2021 sollen in Deutschland mehr als 100.000 neue Sozialwohnungen entstehen. Der Bund will die Länder dabei bis 2021 mit mindestens fünf Milliarden Euro unterstützen.
Geringverdiener können vom Staat Zuschüsse zu Miete oder zu den Kosten für eine Eigentumswohnung bekommen. Ab 2020 sollen „Leistungsniveau und Reichweite“ des Wohngelds „gestärkt“ werden.
Expertenkommission zur Baulandnutzung
Dem Statistischen Bundesamt zufolge hatten Ende 2017 rund 592.000 einkommensschwache Haushalte die staatliche Leistung erhalten. Das waren 1,4 Prozent aller privaten Haushalte.
Die staatliche Wohnungsbauprämie für Bausparer soll attraktiver werden. Dazu sollen die Einkommensgrenzen an die allgemeine Einkommens- und Preisentwicklung angepasst und soll der Prämiensatz erhöht werden.
Mietspiegel bieten Mietern und Vermietern Orientierung zu den ortsüblichen Preisen. Die Bundesregierung will gesetzliche Mindestanforderungen zur Standardisierung einführen. Außerdem sollen künftig Daten aus den vergangenen sechs Jahren für die Berechnung genutzt werden statt bislang nur vier.
Da die Mieten seit Jahren steigen, dürfte eine Verlängerung des Betrachtungszeitraums niedrigere Werte beim Mietspiegel ergeben. Am Mietspiegel orientiert sich auch die Mietpreisbremse. Branchenverbände sind gegen die Neuerung, sie fürchten ein „Einfrieren“ des Mietspiegels.
Eine Expertenkommission soll bis zum Sommer 2019 untersuchen, wie Möglichkeiten zur Nutzung von Bauland verbessert werden können. Das Innenministerium will dort unter anderem über Genehmigungserleichterungen sprechen und darüber, wie Flächen in Städten besser genutzt werden können.
12.000 Euro Baukindergeld pro Kind
In Regionen mit Wohnungsmangel sollen Vermieter nur noch acht Prozent statt wie bisher elf Prozent der Modernisierungskosten auf Mieter umlegen dürfen, dazu gibt es eine Kappungsgrenze von drei Euro Mieterhöhung pro Quadratmeter.
Zusätzlich zur normalen Abschreibung für vier Jahre will der Bund eine Sonderabschreibung von jährlich fünf Prozent gewähren. Der Bonus soll für Bauanträge zwischen dem 31. August 2018 und Ende 2021 gelten. Die Wohnung muss mindestens zehn Jahre vermietet werden. Die Kauf- und Baukosten dürfen nicht mehr als 3000 Euro je Quadratmeter betragen. Damit soll vermieden werden, dass Wohnungen im gehobenen Segment gefördert werden.
Wer Wohneigentum erwerben will und mindestens ein minderjähriges Kind im Haushalt hat, kann das neue Baukindergeld beantragen. Der Zuschuss in Höhe von 1200 Euro je Kind und pro Jahr wird über zehn Jahre ausgezahlt, also insgesamt 12.000 Euro pro Kind.
Innen-, Bau- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) wertete den Wohngipfel als „ganz starkes Signal“. Ziel sei es, durch ein größeres Angebot die Preise zu senken. In der Breite sei es die größte Anstrengung, die bisher im Wohnbereich unternommen worden sei.
Seehofer betonte, es gehe auch um die Vernetzung aller Akteure. Eine Musterbauordnung soll auch den Bürokratieaufwand verringern.
Eingriffe in das Mietrecht
Der Deutsche Mieterbund nannte den Wohngipfel eine Veranstaltung mit Symbolcharakter. „In der Sache aber hat der Wohngipfel aus unserer Sicht wenig Neues gebracht“, erklärte Bundesdirektor Lukas Siebenkotten. „Das Eckpunktepapier der Bundesregierung enthält neben einer Reihe von Absichtserklärungen vor allem Hinweise auf altbekannte Vorschläge und Vereinbarungen.“
Bei Branchenverbänden war das Echo gemischt. „Neben Ankündigungen, die bereits im Koalitionsvertrag angekündigt und zum Teil bereits umgesetzt wurden, hat sich die Bundesregierung leider wieder einmal auf Verbote und Eingriffe unter anderem in das Mietrecht konzentriert“, bemängelte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses.
Von einem „guten Anfang für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland“ sprach hingegen Axel Gedaschko, Präsident des Branchenverbands GdW.
Quelle: Welt