In den Ballungsgebieten werden Wohnungen seit Jahren teurer. Laut einer neuen Mietspiegel-Auswertung für 351 Städte steigen die Mietpreise vielerorts aber moderater. München ist nicht mehr die teuerste Großstadt.
In den vergangenen Jahren kannten die Mietpreise in den meisten Großstädten nur einen Trend: aufwärts. Viele Menschen können sich deshalb in den Innenstädten von München, Frankfurt und anderen Metropolen keine Wohnungen mehr leisten und ziehen ins Umland, in der Folge steigen auch dort die Mietpreise.
Einer aktuellen Studie zufolge geht der Trend der überreizten Immobilienmärkte jedoch langsam zu Ende. Das Forschungsunternehmen F+B hat für seinen sogenannten Mietspiegelindex 2019 die offiziellen Mietspiegel von 351 deutschen Städten ab 20.000 Einwohnern ausgewertet und festgestellt: Die Mietpreise steigen weniger stark. Deutschlandweit legten die ortsüblichen Vergleichsmieten in diesem Jahr um 1,8 Prozent zu – 2018 waren es noch 2,2 Prozent gewesen.
Im vergangenen Jahr führte München die Auswertung erstmals seit 20 Jahren nicht mehr an. Dieses Jahr rutschte die bayerische Landeshauptstadt sogar auf den sechsten Platz ab. Die teuerste Kommune ist zum zweiten Mal in Folge der Münchner Vorort Karlsfeld: In dem 22.000-Einwohner-Ort müssen Mieter für eine 65 Quadratmeterwohnung in mittlerer Lage und mit mittlerer Ausstattung im Schnitt eine Nettokaltmiete von 10,86 Euro pro Quadratmeter zahlen.
Stuttgart verdrängt München
Teuerste Metropole ist nun Stuttgart, das auf dem zweiten Platz des Mietspiegelindex landet. Dort liegt die Nettokaltmiete für eine 65 Quadratmeterwohnung bei 10,41 Euro pro Quadratmeter und damit 48 Prozent über dem deutschen Durchschnitt. Die Top Ten ergänzen Orte aus dem Umland dieser Großstädte: Leinfelden-Echterdingen, Tübingen, Ludwigsburg und Ditzingen liegen in der Nähe von Stuttgart. Germering, Dachau und Erding befinden sich im Umfeld von München.
Auf den Plätzen zehn bis zwanzig folgen Großstädte wie Hamburg, Wiesbaden, Düsseldorf und Frankfurt am Main, aber auch weitere Orte aus der Stuttgarter Region: Kornwestheim, Esslingen am Neckar, Leonberg und Fellbach. (Die genauen Platzierungen sehen Sie in der Tabelle.) Während die Mieten in München selbst weniger stark steigen, holen die Vororte sowie die Stuttgarter Metropolregion auf. „Hier zeigt sich, dass die alte Regel, wer günstiger wohnen möchte, muss ins Umland ziehen, nicht mehr durchgreifend gilt“, sagt F+B-Geschäftsführer Bernd Leutner.
Mietspiegel bilden große Spanne von Mieten ab
Mietspiegel werden in den meisten größeren und auch in vielen kleineren Städten erhoben. Sie bilden nicht nur Neuvertragsmieten ab, sondern auch Bestandsmieten, die in den vergangenen vier Jahren erhöht oder gesenkt wurden. Die so ermittelten „ortsüblichen Vergleichsmieten“ sollen einen Eindruck davon geben, wie viel Mieter in den jeweiligen Städten wirklich zahlen.
Das ist für Vermieter, Mieter und Investoren von Bedeutung. So können Vermieter unter anderem mit dem Mietspiegel eine Mieterhöhung begründen – dieser darf aber nicht veraltet sein. Auch der Gesetzgeber verwendet Mietspiegel als Anhaltspunkt, zum Beispiel bei der Mietpreisbremse.
In der Praxis sehen Mietspiegel jedoch von Stadt zu Stadt unterschiedlich aus. Die Spanne der Mieten, die in den jeweiligen Durchschnittswert einfließen, kann sehr groß sein. Gerade dort, wo die Mietpreise in den vergangenen Jahren am schnellsten gestiegen sind, klaffen die Bestandsmieten der Altverträge und die Neuvertragsmieten weit auseinander.
Topplatzierte übertreffen Durchschnittsmiete bei Weitem
In Deutschland liegt der Mietpreis der Beispielwohnung mit 65 Quadratmetern laut der F+B-Studie im Schnitt bei 7,04 Euro pro Quadratmeter. Der Mietspiegelindex zeigt, wie stark die einzelnen Städte davon abweichen: So liegen die Mieten beim Spitzenreiter Karlsfeld 54 Prozent über dem deutschen Durchschnitt (Indexwert 154).
In Berlin sind die Mieten noch immer vergleichsweise günstig. Weil sich die Immobilien im westlichen und östlichen Teil der Stadt stark unterscheiden, hat F+B die Hauptstadt in Ost und West geteilt. Während die Mieten im Westen im Schnitt bei 7,32 Euro pro Quadratmeter liegen (Indexwert 104), sind es im Osten nur unterdurchschnittliche 6,55 Euro (Indexwert 93). „Hier zeigt sich, welche finanziellen Vorteile Mieter mit alten Mietverträgen gegenüber Zuzüglern und allen anderen, die gerade umziehen wollen oder müssen, immer noch haben“, sagt F+B-Geschäftsführer Leutner.
Erste ostdeutsche Stadt im Ranking ist Jena auf Platz 90 (2018: Platz 76). Hier liegen die Mieten in etwa auf dem bundesweiten Durchschnittsniveau. In Rostock, Erfurt und Potsdam liegen sie leicht darunter. In Leipzig liegen die Mieten etwa 24 Prozent unter dem deutschen Durchschnitt.
Warum Mieten künftig weniger stark steigen
Bei F+B sieht man trotz der Anstiege eine Trendwende: Die Zeit der großen Mietsteigerungen sei im Durchschnitt vorbei, heißt es dort. Das mache sich langsam auch in den Mietspiegeln bemerkbar.
Das Unternehmen vermutet hinter dem Limit der Mietensteigerungen mehrere Trends:
Erstens könnten sich viele Menschen die hohen Mieten in zentralen Lagen der Metropolen schlicht nicht mehr leisten.
Zweitens seien Vermieter vorsichtiger mit Erhöhungen geworden. Denn wer nicht auf eine andere Stadt ausweichen kann, mietet hochpreisige Wohnungen nur für die Anfangszeit an und zieht möglichst schnell wieder aus – das bedeutet mehr Verwaltungsaufwand für Vermieter.
Drittens nimmt F+B an, dass die aufkommende Zurückhaltung der Vermieter auch an der öffentlichen Diskussion über Mieten und angekündigten politischen Maßnahmen liegt. So wird seit Frühjahr eine Enteignung von Immobilienkonzernen diskutiert. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass die 2015 eingeführte Mietpreisbremse nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Und in Berlin will die rot-rot-grüne Koalition einen Mietendeckel einführen, der die Mieten in der Hauptstadt für fünf Jahre einfriert. Über die Verfassungsmäßigkeit wird jedoch gestritten.
Trotz der hohen Preise im Stuttgarter und Münchner Umfeld können Mieter also hoffen, dass Mietsteigerungen in Zukunft wieder geringer ausfallen als bislang.
Quelle: Spiegel Online