Viele sozialorientierte und auch private Wohnungsunternehmen können die Kosten für Neubau und Sanierung nicht mehr über die Mieten refinanzieren – Investitionsbremsen sind Wärmewende, Baupreise und Bürokratie. Über Förderbedingungen gab es wenig Klagen.
Das Geschäftsjahr 2023 hat beim vdw Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (vdw Niedersachsen Bremen) mit 179 Wohnungsunternehmen die schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Die Neubauzahlen sind stark rückläufig, und auch bei den Investitionen in den Wohnungsbestand agieren die vdw-Mitglieder vorsichtig. „Es wird wohl Jahre dauern, bis wir wieder voll auf Kurs sind“, meinte Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt bei Vorstellung der Jahreszahlen im August 2024.
Im vergangenen Jahr wurden 463 Millionen Euro in den Neubau investiert; 115 Millionen Euro weniger als 2022. Die Zahl der mit öffentlicher Förderung errichteten Wohnungen gingen im Land Bremen 2023 um 23,7 Prozent zurück, in Niedersachsen um 9,9 Prozent. Ein Grund sind laut Schmitt die hohen Gestehungskosten, die Förderprogramme seien deutlich verbessert worden.
Massiv unter Druck geraten sei die sozial orientierte Wohnungswirtschaft durch die Klimaschutzziele von Bund und Ländern. „Unsere Mitglieder haben 2023 ihre Bestandsinvestitionen gegenüber 2022 von 789 auf 727 Millionen Euro gekürzt. Im laufenden Jahr wird mit einem weiteren Rückgang auf etwa 693 Millionen Euro gerechnet“, sagte die Schmitt. Vor allem kleine Unternehmen und Genossenschaften seien bei der Wärmewende überfordert, ebenso wie von den Baupreisen und hohen Grund- sowie Grunderwerbsteuern.
Größere Mieterhöhungsspielräume für Klimainvestitionen
Die Mieten bei den vdw-Mitgliedsunternehmen lagen 2023 im Durchschnitt bei einem Quadratmeterpreis in Niedersachsen und in Bremen von 6,39 (2022: 6,21) Euro (nettokalt). In Niedersachsen stieg der Preis um 21 Cent im Vergleich zum Vorjahr, im Land Bremen um neun Cent. Die Steigerungsraten liegen unter der allgemeinen Inflation von 6,1 Prozent in Niedersachsen und 4,2 Prozent im Land Bremen.
Über größere Mieterhöhungsspielräume müsse nachgedacht werden, so Schmitt, insbesondere für Klimainvestitionen, aber auch dann, wenn die Einkommen ehemaliger Sozialmieter im Laufe des Erwerbslebens steigen und diese eine höhere Miete bezahlen könnten. Sonst könnten die sozialen Wohnungsunternehmen Investitionen nicht mehr stemmen.
Positiv beurteilte der Verband die Fortschritte beim Gebäudetyp E für einfachen und experimentellen Wohnungsbau. Das Justizministerium veröffentlichte am 29.7.2024 einen Gesetzentwurf. Schmitt plädierte dafür, Fördermittel künftig an die Einhaltung reduzierter Standards zu knüpfen. Rund ein Viertel des Baukostenanstiegs sei durch normative und gesetzliche Qualitätsvorschriften entstanden.
Rheinland-Pfalz: Hälfte der Unternehmen baut nicht
Wie gedämpft die Investitionsbereitschaft unter den sozialorientierten Wohnungsbauunternehmen ist, zeigt auch eine Umfrage des Bauforums Rheinland-Pfalz, die im Juli 2024 veröffentlicht wurde.
Das größte Hemmnis für den Neubau sind demnach die hohen erforderlichen Mieten nach Projektabschluss: 62,5 Prozent der Befragten sehen hier einen sehr hohen Einflussfaktor, 37,5 Prozent sprechen von einem hohen Einfluss. 50 Prozent der Unternehmen planen derzeit keine Neubauprojekte. Und 93 Prozent der Teilnehmer erleben Verzögerungen bei jedem dritten Neubauprojekt um mehr als sechs Monate. Als Ursache wurden unter anderem Anpassungen im energetischen Bereich genannt. Private Bauträger nannten überwiegend (83 Prozent) Probleme beim Verkauf an Endkunden als größtes Hemmnis für Investitionen.
An der Umfrage nahmen 25 Prozent der Unternehmen aus dem VdW Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW Rheinland Westfalen) und dem Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW Südwest) sowie 17 private Bauträger aus der Mitgliedschaft des BFW Landesverbandes Hessen / Rheinland-Pfalz / Saarland teil.
Wohnungsmangel in Hessen immer dramatischer
Zu den Förderbedingungen sagte im Juli Dr. Axel Tausendpfund, Direktor beim VdW Südwest – in dem rund 200 private und öffentliche Wohnungsunternehmen in Hessen und im südlichen Rheinland-Pfalz mit einem Bestand von 400.000 Wohnungen organisiert sind –, die seien auf Landesebene gut: „Das sehen wir an der aktuellen Nachfrage.“
Auf dem hessischen Wohnungsmarkt warnte die Wohnungswirtschaft aber dann im August vor einer ernsten Krise. Um das Bauen einfacher, schneller und günstiger zu gestalten, müsse die Landesregierung mehr Impulse setzen. „Schnelle Unterstützung von der Politik ist unverzichtbar, damit die so dringend benötigten zusätzlichen Wohnungen entstehen können“, betonte Tausendpfund. Wichtig sei es jetzt, die guten Konditionen zu verstetigen, um Planungssicherheit und langfristig verlässliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten.
Genossenschaften in Bayern bauen nur 500 Wohnungen
Die Mitglieder im Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) planen für 2024 die Fertigstellung von insgesamt 2.184 Wohnungen – die durchschnittliche Miete liege bei 7,05 Euro pro Quadratmeter, wie Verbandsdirektor Hans Maier im Juli erklärte.
„Bayern geht bei der Neubauförderung den richtigen Weg. In den Jahren 2024 und 2025 werden 2,3 Milliarden Euro für die Wohnraumförderung bereitgestellt“, berichtete Maier. Für viele Unternehmen seien Projekte nur noch mit Fördermitteln möglich, dabei setzten sie auf seriellen und modularen Wohnungsbau. Das Kabinett hatte Ende Juni 2024 das sogenannte Modernisierungsgesetz beschlossen, mit Erleichterungen bei der Stellplatzpflicht, der Aufstockung von Gebäuden und Typengenehmigungen. „Eine schnelle Verabschiedung der Regelungen durch den Bayerischen Landtag könnte dem Wohnungsbau den lang erwarteten Schub geben“, so Maier.
Bayerns 356 Wohnungsgenossenschaften wiederum werden in diesem Jahr voraussichtlich nur noch zirka 500 Wohnungen bauen. Im Vergleich zu 2023 ist das ein Rückgang um 40 Prozent, wie der Verband im August mitteilte. Maßgebliche Ursachen sind der Anstieg der Baukosten und eine Verschiebung der Investitionen in die klimafreundliche Sanierung der bestehenden Wohnungen.
Thüringen: Gebaut wird, wo es Fördergeld gibt
Auch der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw Thüringen) rechnet für 2024 mit einem Rückgang bei den Investitionen. Die Mitglieder hätten signalisiert, auf die Hälfte der geplanten Neubauten zu verzichten, sagte vtw-Direktor Frank Emrich bereits im Februar dieses Jahres. Das betreffe 300 bis 400 Wohnungen. Gebaut werde nur noch da, wo es öffentliche Förderung gibt, sonst müssten die Investitionen allein über die Mieten refinanziert werden.
Die durchschnittliche Nettokaltmiete in den vtw-Wohnungen – Grundmiete ohne Betriebskosten – bewegt sich bei Erstvermietung pro Quadratmeter zwischen 8,66 Euro im ländlichen Raum und 9,23 Euro in den Städten Erfurt, Weimar und Jena (Zahlen von 2022). Um kostendeckend zu bauen, seien aber Mieten zwischen 16 und 18 Euro pro Quadratmeter nötig, rechnete Emrich vor. Im vtw sind knapp 200 Unternehmen mit 264.000 Wohnungen im Bestand organisiert.
Tobias Schallert, Geschäftsführer der privaten Wohngroup in Erfurt, zog im August 2024 eine ernüchternde Bilanz: „Wir können in Zukunft keine Sozialwohnungen mehr bauen. Die negativen Erfahrungen mit dem Verwaltungshandeln bringen uns einfach zu hohe Risiken.“ Am Förderprogramm von Thüringen liege es nicht, sondern an überlangen Bearbeitungszeiten, Prüfungen und unverhältnismäßigen Einbehalten. „Das führt zu einer hohen Unsicherheit und zu einer wirtschaftlichen Gefahr.“
Wohnungsunternehmen in Sachsen können 2024 kaum bauen
Auch in Sachsen haben kommunale Wohnungsunternehmen Projekte auf Eis gelegt. „Das ist dramatisch, weil das oft Projekte sind, die für das kleine Portemonnaie gedacht waren“, sagte Alexander Müller, Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw) in Sachsen. Rund 85 Prozent der Mitglieder können den Angaben zufolge die für 2024 geplanten Neubauten nicht realisieren. Auch für 2025 rechnet der Verband mit Rückgängen im Wohnungsbau. Müller hält im sozialen Wohnungsbau die Förderung für unzureichend.
Auch der vdw schloss nicht aus, dass Mieten im Bestand erhöht werden müssen. In Sachsen lag die Kaltmiete 2022 bei den Verbandsmitgliedern im Schnitt bei 5,22 Euro pro Quadratmeter – ohne Zuschüsse müsste die Mindestmiete pro Quadratmeter zwischen zwölf und 13 Euro liegen, um die Kosten zu decken, so Müller.
Private Player: Vonovia kündigt 15 Prozent höhere Mieten an
Das Immobilienunternehmen LEG, zweitgrößter Vermieter in Deutschland, teilte bereits Ende 2022 mit, auf die Krise mit einer „hohen Kostendisziplin“ reagieren zu wollen: Projektentwicklungen würden gestoppt und Investitionen im Wohnungsbestand minimiert. Im Oktober 2023 erklärte Konzernchef Lars von Lackum, die Mieten wegen der deutlich gestiegenen Baukosten sowie höheren Zinsen „so stark wie regulatorisch möglich“ zu erhöhen. Auch Investitionen in Modernisierungsmaßnahmen wurden gedrosselt.
Branchenprimus Vonovia, Mitglied im Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW, kündigte im Februar 2023 erstmals an, kein neues Wohnungsbauprojekt mehr starten zu wollen. Im September 2023 konkretisierte Vorstandschef Rolf Buch die Prognose: „Bei uns liegen Planungen für insgesamt 60.000 Wohnungen in der Schublade“, die nicht gebaut würden, bis es sich wieder rentiere.
Am 16.7.2024 wurde bekannt, dass Vonovia Tausende Mieterhöhungen verschickt hat: Der Konzern schöpft dabei die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit aus, die Miete innerhalb von drei Jahren um 15 Prozent zu erhöhen.
Der GdW veröffentlichte im November 2023 eine Umfrage, in der mehr als zwei Drittel der Unternehmen angaben, 2024 und 2025 keine Wohnungen mehr bauen zu können. Der GdW sieht im seriellen Bauen einen wesentlichen Beitrag dazu, dass der Wohnungsbau wieder bezahlbarer wird. Im Juli 2024 legte der Verband und einen 10-Punkte-Plan für bezahlbares Bauen vor.
Quelle: Haufe Online Redaktion