Erstmals seit drei Jahren steigt die Zahl der zur Zwangsversteigerung aufgerufenen Immobilien wieder, wie eine Auswertung von Argetra zeigt – vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser kommer unter den Hammer und bieten alternative Investmentchancen für Anleger und Eigennutzer.
Nachdem die Zahl der Zwangsversteigerungen drei Jahre rückläufig war, zeichnet sich für 2023 eine Wende ab: In den ersten sechs Monaten wurden 6.379 Immobilien mit einem Verkehrswert von insgesamt 1,96 Milliarden Euro aufgerufen. Vor einem Jahr waren es noch 6.248 Einheiten mit einem Volumen von 1,66 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt Argetra nach der Auswertung der Termine von allen fast 500 deutschen Amtsgerichten.
Wohnimmobilien durch Notverkäufe am häufigsten auf dem Markt
Zwangsversteigert werden laut Argetra zu zirka 68 Prozent Wohnimmobilien mit dem Löwenanteil bei den Ein- und Zweifamilienhäusern (46,4 Prozent), gefolgt von Eigentumswohnungen (21,6 Prozent). Den Rest von 32 Prozent teilen sich Gewerbeobjekte, Wohn- und Geschäftshäuser (15,5 Prozent), Grundstücke (14,6 Prozent) und sonstige Immobilien wie etwa Garagen (1,9 Prozent). Damit sind Wohnimmobilien erneut die am häufigsten versteigerte Immobilienart.
Eine schwache Konjunktur, sinkende Kaufkraft und die hohe Inflation mit steigenden Energiepreisen und Mieten werden laut Argetra im Jahresverlauf 2023 zu einem Anstieg von Privatinsolvenzen führen und damit auch mehr Zwangsversteigerungen zur Folge haben. Wegen der langen Bearbeitungszeiten und der verzögerten Auswirkung der Wirtschaftsschwäche könnte sich das aber auch erst im Jahr 2024 deutlicher in den Zahlen niederschlagen.
Einen Unsicherheitsfaktor sehen die Versteigerungsexperten auch in der Pflicht zur energetischen Sanierung: nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG). Wird die Immobilie verkauft oder vererbt, geht die Sanierungspflicht auf den neuen Eigentümer über. Wenn es sich um Erbengemeinschaften handelt, könnte das zu einem zeitnahen Verkauf der Immobilie führen, da kaum ein einzelner Erbe Geld in eine Immobilie investieren wird, die ihm nur anteilsmäßig gehört.
Teilungsversteigerungen nehmen prozentual stark zu
Die von Argetra ausgewerteten Verfahren zeigen, dass die Teilungsversteigerungen prozentual stark zunehmen: Diese Immobilien stammen aus Auflösungen der Eigentümergemeinschaft aus Ehe- und Erbengemeinschaften. Im ersten Halbjahr 2023 wurden mehr als 1,03 Milliarden Euro Verkehrswert aus diesem Segment aufgerufen, das waren 39 Prozent aller Termine (Vorjahr: 36 Prozent). Das betraf 59 Prozent aller Grundstücke und 41 Prozent aller Ein- und Zweifamilienhäuser.
Da die Immobilienpreise angesichts starker bestehender Nachfrage und eines begrenzten Angebots tendenziell auf hohem Niveau bleiben dürften, bleiben Zwangsversteigerungsobjekte laut Argetra für Eigennutzer und Investoren eine attraktive Alternative zum klassischen Immobilienkauf.
Zwangsversteigerung: Die Verkehrswerte steigen
Nordrhein-Westfalen (NRW) hat als bevölkerungsreichstes Bundesland nach Angaben von Argetra rund 20 Prozent Anteil am Gesamtmarkt und damit die höchste Zahl bei den Zwangsversteigerungen von Immobilien. Die Termine im ersten Halbjahr 2023 konzentrieren sich in der aktuellen Auswertung in der Mitte Deutschlands von West nach Ost.
Pro 100.000 Haushalte ist die Zahl der Zwangsversteigerungstermine in Thüringen (27) trotz eines Rückgangs von 8,6 Prozent immer noch doppelt so hoch wie in Bayern mit zwölf Terminen. Im Schnitt waren im ersten Halbjahr bundesweit 15 von 100.000 Haushalten von Zwangsversteigerungen betroffen. Hier hat sich gegenüber dem Vorjahr nichts geändert.
In Hamburg wurden die höchsten Verkehrswerte mit durchschnittlich mehr als 1,4 Millionen Euro pro Immobilie aufgerufen. In Berlin liegt der Durchschnitt bei einer Million Euro und damit auf Platz zwei. Sachsen-Anhalt bildet das Schlusslicht mit Werten von 80.000 Euro. Der Bundesdurchschnitt lag bei 307.238 Euro – nach 265.73 Euro im Vorjahreszeitraum. In fast allen Bundesländern steigen die durchschnittlichen Verkehrswerte.
„Top 40“-Blacklist: Berlin führt bei den Notverkäufen
Bei den vierzig Städten mit den meisten Terminen führt Berlin gefolgt von München, Leipzig, Zwickau, Chemnitz und Duisburg das Argetra-Ranking an. An den untersuchten 40 Standorten, die etwa 18 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, finden 30 Prozent aller Immobilienversteigerungen und damit deutlich mehr Zwangsversteigerungen statt als im Bundesschnitt.
Neu in der Blacklist der „Top 40“-Zwangsversteigerungsschwerpunkte sind unter anderem Ingolstadt, Freiburg im Breisgau, Düsseldorf, Landshut und Rastatt. Dafür fielen Argetra zufolge aus der aktuellen Liste die Städte Esslingen, Eisenach, Saarbrücken und Halle an der Saale heraus. Bemerkenswert ist demnach: Von den 40 Städten haben 14 weniger als 50.000 Einwohner.
Argetra-Halbjahresbericht 2023
Quelle der Analyse ist die Argetra-Datenbank mit mehr als 780.000 Terminen. Neu sind die Marktschwankungsanalysen für Zwangversteigerungsobjekte, da sich die Schwankungswerte vom normalen Markt abgekoppelt haben. In der Online-Datenbank und im Versteigerungskalender werden tagesaktuell die Termine der knapp 500 deutschen Amtsgerichte veröffentlicht.
Quelle: Haufe Online Redaktion