Für viele Hauskäufer ist es derzeit zum Verzweifeln: Die EZB erhöht schon wieder die Leitzinsen. Das könnte einige Eigentümer mit Hypothek in Schwierigkeiten bringen. Hoffnung auf rasch sinkende Preise und Zinsen besteht nicht – ganz im Gegenteil
Die US-Notenbank hat es getan, die Bank of England und nun auch die EZB: Weltweit erhöhen die Zentralbanker im Kampf gegen die Inflation die Zinsen. Die Euro-Währungshüter haben am Donnerstag den Leitzins im Euro-Raum wie erwartet um 0,5 Prozent auf nun drei Prozent angehoben. Und das ist noch nicht das Ende: Schon bei der nächsten Sitzung im März gilt ein weiterer Sprung um 0,5 Prozent als so gut wie sicher.
Das Ifo-Institut rechnet damit, dass spätestens im Sommer die Leitzinsen bei vier Prozent liegen. In Großbritannien ist diese Schwelle seit dieser Woche erreicht, in den USA sogar schon überschritten: Hier hat die Fed den Zinssatz sogar auf 4,5 bis 4,75 Prozent hochgeschraubt.
Für Hausbesitzer – und solche, die es werden wollen – hat sich damit in nicht mal einem Jahr die Welt um 180 Grad gedreht. Für potenzielle Immobilienkäufer mischen sich die Zinsexplosion, horrende Inflation, das hohe Kaufpreisniveau und steigende Baukosten zu einem bitteren Cocktail.
Der Traum vom Haus wird teurer
Der Markt für Hauskredite, der sich am Zinssatz der zehnjährigen Bundesanleihen orientiert und daher mit Verzögerung auf den Leitzins reagiert, wurde in wenigen Monaten auf den Kopf gestellt. Lag die Rate für zehnjährige Hypotheken laut dem Finanzierungsvermittler Interhyp Anfang 2022 noch bei etwa ein Prozent, werden nun inzwischen 3,6 Prozent fällig.
Und mit den erwarteten weiteren Zinsschritten der Notenbanker dürfte es weiter nach oben gehen. „Wir sehen unsere Prognose vom Zinskorridor zwischen drei und vier Prozent für Bauzinsen aktuell bestätigt“,, sagt Interhyp-Privatkundenvorständin Mirjam Mohr. Die traurige Nachricht für angehende Hauskäufer: Sie werden sich die Finanzierung immer weniger leisten können.
Eigentlich sollten daher die Kaufpreise für Häuser und Wohnungen mittelfristig fallen. Denn die sinkende Nachfrage dämpft die Summen, die Anbieter für ihre Objekte verlangen und durchsetzen können. Anzeichen dafür gibt es bereits seit dem letzten Jahr. Die Nachfrage nach neuen Hauskrediten hat sich drastisch reduziert. In manchen Städten sind die Preise leicht gesunken oder stagnieren.
Doch die Zeiten sind alles andere als normal. Eine Reihe von gegenläufigen Faktoren spricht gegen allzu schnell fallende Immobilienpreise. „Der Immobilienmarkt hat in vielen Teilen Deutschlands eine Vollbremsung hingelegt. Doch einen flächendeckenden Preisrutsch werden wir 2023 nicht “, sagt etwa Michael Neumann, Chef des Finanzvermittlers Dr. Klein.
Die Krisen der Welt treiben die Krise am Häusermarkt
Da ist vor allem die historisch hohe Inflation: Sie treibt Anleger in Sachwerte. „Für kapitalstarke Haushalte könnte ein psychologischer Effekt angesichts hoher Inflation – die Flucht in Betongold – zu zusätzlicher Nachfrage nach Immobilien führen“, meint Bundesbank-Vorstand Joachim Würmeling. Auch wenn die Zinsen explodieren, werden also weiter Häuser gekauft und gebaut. Nur eben von Leuten, die es sich noch leisten können. Und weniger von Ottonormalverdienern. Selbst für Gutverdiener sind sie kaum noch erschwinglich, wie eine DIW-Studie kürzlich zeigte.
Nicht nur die steigenden Zinsen, auch Materialknappheit und Lieferengpässe lassen die Baukosten explodieren und dämpfen den Neubau. Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia hat daher alle Neubauprojekte in diesem Jahr bereits gestoppt. Bauministerin Klara Geywitz hat sich für das vergangene und laufende Jahr von ihrem ohnehin ambitionierten Ziel von 400.000 neuen Wohnungen jährlich bereits verabschiedet. 2024 und 2025 müsse das Ziel sein, „an diese Zahl heranzukommen“.
Die Wohnungsnot in den deutschen Großstädten wird sich also eher noch verschärfen. Und wo das Angebot sinkt, steigen in der Regel die Preise – oder geben jedenfalls nicht nach. Auch, wenn die Finanzierungskosten explodieren. „Ein nachhaltiger Preisrückgang ist nicht zu erwarten. Wir rechnen mittelfristig mit einer Verknappung des Angebots, die den Markt wieder drehen kann“, sagt Gesa Crockford, Geschäftsführerin von Immoscout24. „Verglichen mit dem Preisanstieg der letzten fünf Jahre ist die Preiskorrektur als moderat einzuordnen.“
Hinzu kommt ein weiterer fundamentaler Faktor: Trotz einiger Blasen sind die hohen Verkaufspreise in vielen Lagen fundamental begründet. Die Zuwanderung hält an, erstmals hat Deutschland mehr als 84 Millionen Einwohner. Und immer mehr Menschen ziehen in die großen Städte oder ins stadtnahe Umland. Daher bleiben die Immobilienpreise dort hoch, egal wie die Zinsen liegen.
Doch je länger die Zinsexplosion anhält, desto größer ist die Chance auf sinkende Häuserpreise. Denn steigende Zinsen sind ein Problem für alle, die eine Anschlussfinanzierung brauchen. Solange der Zinssatz für den neuen Kredit in etwa so hoch bleibt wie vorher, können sie die Belastung weiter stemmen. Kritisch wird es erst dann, wenn der neue Zinssatz deutlich höher liegt – dann wird die Finanzierung auf einen Schlag teurer.
Das Potenzial für Zwangsversteigerungen – und damit sinkende Preise – bietet sich womöglich erst in einigen Jahren. „2013 hatten wir noch Zinsniveaus, die gar nicht so weit weg sind von heute. Die, die damals eine zehnjährige Hypothek abgeschlossen haben, die fällig wird, können das noch gut verkraften“, sagt Portfoliomanager Andreas Beck. „Interessant wird es 2015 und 2016. Wer da eine zehnjährige Hypothek abgeschlossen hat, hat für unter ein Prozent abgeschlossen. Wenn die jetzt refinanzieren müssen mit vier oder fünf Prozent, dann werden das viele nicht schaffen.“
Quelle: Capital